Hexengewitter
Verzweiflung.
Til-Muini war wie ihre Dienerinnen in Pelze gekleidet, obgleich es nicht kalt war, und kleinwüchsig. Ihr schwarzes Haar war wie ein Helm geschnitten, verdeckte die Stirn und reichte bis auf die Brauen der mandelförmigen, freundlichen Augen herab.
»Die Zahda hat mich von eurer Ankunft unterrichtet«, begann die oberste Keysin. »So seid uns willkommen. Doch ich fürchte, daß dies ein ungünstiger Zeitpunkt ist, um die Schützlinge der Zaubermutter zu bewirten und zu erfreuen.«
Mythor legte die Stirn in Falten. Die Amazonen und Inselweiber hielten sich zurück und überließen ihm das Reden. Gerrek bewunderte staunend die Eisbilder an den Wänden und warf so manchen Blick den zierlichen, immer lächelnden Keysinnen zu.
»Dann sage uns, was dich bedrückt«, bat Mythor Til-Muini.
Sie nickte zögernd, stand auf und legte die mit Eisringen geschmückten Hände auf den Rücken.
»Kurz vor eurer Ankunft erfuhr ich davon, daß die Schiffe und Ballons der Zaem unser Land angelaufen haben und dabei sind, es raubend und plündernd für sich in Besitz zu nehmen. Täuscht euch nicht. Keysland ist groß, und ihr seht nur einen kleinen Teil davon. Die Kriegerinnen der Zaem suchten Zuflucht vor dem tobenden Hexengewitter. Wir können sie nicht aufhalten.«
»Hexengewitter?« fragte Kalisse ungläubig. »Davon müßten wir etwas bemerken.«
Til-Muini wandte sich ihr zu und lächelte fast mitleidsvoll.
»Nichts, was den Frieden und die Ruhe dieses Palastes stören könnte, vermag die schützenden Wände aus Eis zu durchdringen, Amazone der Ambe. Doch lasse dich von einer Führerin in die Grotten bringen, die den einzigen Zugang zum Meer bilden, und du wirst sehen und hören, welche Gewalten die Magie der Zaubermütter zu wecken versteht.«
»Danke«, wehrte Gerrek schnell ab. »Es gefällt mir hier drinnen weitaus besser und…«
Kalisse brauchte nichts zu sagen. Ein Blick von ihr genügte. Der Mandaler verschränkte die Arme über der Brust, wobei er sich mit den Krallen in dem umgewickelten Tuch verhedderte, und starrte schicksalsergeben zur Decke.
»Du sagst, die Flotte der Zaem hätte Keysland erreicht?« fragte Mythor die Keysin. »Aber Zahda gab mir zu verstehen, daß wir hier sicher seien.«
»Die Amazonen kamen fast gleichzeitig mit euch«, erklärte Til-Muini.
Mythor warf Gudun, Gorma und Tertish einen Blick zu. Die Tücke Lacthys und die Bedrohung durch den Stein hatten sie zu Verbündeten gemacht - vorübergehend. Nun, da Zaems Heer über Keysland herfiel, mußten sie sich wieder zu ihren Kampfgefährtinnen hingezogen fühlen. Er konnte nicht erwarten, daß sie sich diesen entgegenstellten.
Auch die Inselweiber waren aufgebrochen, um für Zaem zu kämpfen.
Mythor sah ein, daß es jetzt wenig Sinn hatte, sich Klarheit über das weitere Verhalten der Frauen verschaffen zu wollen. Die nächsten Stunden würden die Fronten klären. Immerhin glaubte er darauf vertrauen zu können, daß Burras Amazonen ihn - und damit auch Gerrek, Kalisse und Scida - auch weiterhin als ihren Schutzbefohlenen betrachten und mit sich nehmen würden. Erst einmal auf dem Hexenstern, mußte ihm etwas einfallen, um sich mit den Gefährten vom Heer abzusetzen.
»Welche Zacke des Hexensterns wird Keysland also anlaufen?« fragte er.
Til-Muini senkte den Kopf.
»Bislang führte der Kurs unserer Schwimmenden Stadt beständig um ihn herum«, sagte sie traurig. »Immer von Ost nach West. Als nächstes sollte Keysland an Zahdas Zacke anlegen. Damit rechnete die Zaubermutter und glaubte, euch sicher in ihr Einflußgebiet führen zu können.«
»Aber?« fragte Scida.
»Mir wurde berichtet, daß die Amazonen und Hexen der Zaem Keysland bereits gewendet haben, so daß wir nun geradewegs auf Zaems Frostpalast zusteuern.« Til-Muini lächelte entschuldigend. »Wir vermögen dies nicht zu ändern, Mythor. Der Gegner ist zu stark.«
Nataika, die Schiffsführerin der Sturmbrecher, meldete sich erstmals zu Wort:
»Ich höre andauernd von Gegnern, mit denen unsere Kampfgefährtinnen gemeint sein sollen. Ich höre dich voller Achtung von der Verräterin Zahda reden, Keysin! Hüte deine Zunge, denn wenn ein Volk sich so sehr der Zahda verpflichtet fühlt, ist es nur recht, wenn unsere Kriegerinnen Keysland für die Zaem in Besitz nehmen!«
»Keysland ist keiner der beiden Seiten verpflichtet«, sagte Til-Muini mit ungewohnter Härte. »Wenn dies sich nun ändert, so ist es nicht unsere Schuld. Erwartest du, daß wir jene
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