Hexengift
Männern mit blitzenden, silbernen Klingen ritten auf riesigen Krähen, Kreuzungen aus Krabben, Quallen und Spinnen krabbelten umher, Zealand sah Babys mit riesigen Köpfen und messerscharfen Zähnen und Frauen in blutverschmierten Hochzeitskleidern, gezackte Tortenheber in der Hand.
Die Verteidiger auf den Balkonen schlugen Angriffswelle um Angriffswelle zurück, und Zealand war froh, dass er sich aus dem wütenden Getümmel heraushalten und als Genevieves Leibwache einfach an ihrer Seite bleiben konnte. Die Türme schwankten wie Schiffe auf dem Meer. Robin Hood fiel von seinem Balkon und verschwand in den Wolken.
Eine der Riesenkrähen hackte mit ihrem Schnabel eine Riesenheuschrecke entzwei. Die gesichtslosen Männer schleuderten die Babys mit den Rasiermesserzähnen wie Wurfgeschosse zu ihnen herüber, wo diese sofort nach ihrer Landung anfingen, tollwütig um sich zu schnappen. Austens Riesenzwilling schwang seine Kriegskeule und streckte mit jedem Schlag mindestens ein Dutzend Feinde nieder. Die Schlacht verlief sehr ausgeglichen, keine der beiden Seiten gewann die Oberhand, und Zealand konnte sich gut vorstellen, wie dieses Schauspiel sich Nacht für Nacht wiederholte, ohne jemals einen Sieger hervorzubringen. Natürlich versuchte Genevieves Seite gar nicht erst, Boden zu gewinnen. Sie verteidigte nur ihr eigenes Territorium, was Zealand für einen taktischen Fehler hielt. Falls er länger hierbleiben sollte, würde er versuchen, Genevieve ein wenig in langfristiger Strategie zu unterweisen und sie davon zu überzeugen, dass es ihrer Sache durchaus dienlich wäre, auch einmal einen Gegenangriff zu starten. Natürlich war es gut möglich, dass sie ihn einfach ignorierte, aber wenn er es nur oft genug versuchte, könnte er vielleicht zu ihr durchdringen. Jedenfalls wurde die Schlacht ziemlich schnell langweilig, sobald man sich an den Anblick der bizarren Armeen gewöhnt hatte.
Das heißt, bis Reave auf dem Balkon direkt gegenüber erschien. Die beiden Türme standen sich mit nur wenigen Metern Abstand gegenüber, gerade so weit auseinander, dass ein Normalsterblicher nicht hinüberspringen konnte. Zealand konnte Reave deutlich erkennen und trat mit seinem breitesten Grinsen an die Brüstung. Reave war wie betäubt. »Ich habe dich getötet …«
Zealand wollte sich nicht lange mit verbalem Vorgeplänkel aufhalten, auch wenn die Versuchung so groß war wie noch nie zuvor in seinem Leben. Stattdessen schleuderte er ein Dutzend seiner Moostentakel zu Reave hinüber, wickelte ihn damit ein und riss ihn von seinem Balkon herunter. Genevieve schnappte erschrocken nach Luft, dann klatschte sie entzückt in die Hände wie ein kleines Mädchen bei einer Zaubervorführung. Zealand wickelte die Ranken ein paarmal um seine Handgelenke, um sie besser festhalten zu können, dann beugte er sich nach vorn und blickte über den Rand des Balkons, wo Reave mit seinen Messern in den Händen unbeholfen in der Luft baumelte.
»Na mach schon, schneid dich los!«, rief Zealand und begann, Reave wie ein Pendel hin und her zu schwingen. Reave hatte keine Kontrolle über die Bewegung, schaukelte und drehte sich hilflos um die eigene Achse. Er war nicht besonders schwer, und mit der Unterstützung des Mooses befand sich Zealand nicht in der geringsten Gefahr, selbst hinuntergezogen zu werden. »Na los doch, es macht mir nichts aus.« Genevieve trat zögernd neben ihn und spähte vorsichtig hinunter zu ihrem Feind. »Sehen Sie, er ist nichts weiter als ein kleines, harmloses Jojo. Nichts, vor dem man Angst haben müsste.«
Zwei von Reaves Krähen fielen tot vom Himmel und rissen ihre Reiter mit. Zealand grinste. Er drang also tatsächlich zu ihr durch. »Soll ich ihn fallen lassen, ihn einfach durch die Wolken schleudern, Prinzessin?«, fragte er, und Genevieve klatschte wieder in die Hände.
Reave zog an den Ranken. Er kletterte an ihnen hinauf, obwohl Zealand ihn immer noch hin und her schwang, obwohl
er eigentlich gefesselt war. Mit einem verächtlichen Naserümpfen ließ Zealand die Ranken los. Er hatte eigentlich erwartet, dass Reave in den Abgrund stürzen würde, aber wegen der Pendelbewegung beschrieb seine Flugbahn eine kleine Kurve, sodass er noch im Fallen die Kante eines der unteren Balkone seines Turmes zu fassen bekam. Er kletterte über die Brüstung, schob sich zwischen seinen Soldaten hindurch und verschwand in seiner Festung.
»Er wird erst mal seine Wunden lecken, schätze ich«, kommentierte Zealand, aber schon
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