Hexengift
Fähigkeiten zurückgreifen. Marla war beeindruckt von der Reichweite, über die Genevieve verfügte - Langfords Labor befand sich am anderen Ende der Stadt, und sie war offensichtlich selbst über diese Distanz in der Lage, ein ganz bestimmtes Bewusstsein aufzuspüren und darauf zuzugreifen. Genevieve ging auf den Obduktionstisch zu und betrachtete den immer noch bewusstlosen Terry Reeves. »Aber … er ist so alt«, sagte sie, und Marla musste grinsen. Das war doch schon mal ein ganz guter Anfang … Dann konzentrierte sie sich wieder auf ihre eigene Lage.
» Hey! «, rief sie, und ein gesichtsloser Wärter erschien vor der vergitterten Tür. »Hol deinen Boss, ich muss mit ihm sprechen. Was stehst du so blöd hier rum, Schattengesicht? Geh und hol ihn gefälligst! Außer er hat Angst, sich mit einer Frau zu unterhalten.« Der Wächter verschwand, und Marla musste wieder grinsen. Ihr Gesicht fühlte sich dabei etwas seltsam an. Anscheinend lächelte Genevieve nicht allzu oft.
Marla nahm den Eimer für die Notdurft, der unter ihrem Stuhl stand, und wartete damit neben der Tür. Schon bald darauf schwang die Tür mit einem lauten Knarren auf, und Reave kam herein. Er war mittlerweile über zwei Meter groß, sein kahler Kopf war kein blasser Champignon mehr, er glänzte, sein dämlicher Mantel war eng um die Taille geschnürt.
Marla schüttete ihm den Inhalt des Eimers ins Gesicht und lachte lauthals, als Reave erschrocken zurücktaumelte. Eine der Wachen reichte ihm ein Taschentuch, und Reave wischte sich damit den größten Teil der Sauerei aus dem Gesicht. »Bist du etwa noch verrückter geworden, Weib? Dafür wirst du bezahlen!«
»Warum hast du deine Wachhunde dabei, Terry? Hast du etwa Angst davor, dich mit mir alleine zu unterhalten?«
Reave runzelte die Stirn, dann bedeutete er den Wachen, sich zurückzuziehen, und schloss die Tür hinter ihnen. »Du weißt, was ich von Frauen halte, die sich mir widersetzen. Du weißt, was mit ihnen passiert .«
»Tatsächlich?«, meinte Marla und tat so, als zucke sie zusammen. Dann machte sie einen Schritt nach vorne und trat ihm so hart zwischen die Beine, wie sie konnte. Reaves
Augen weiteten sich, aber das war auch schon alles. Trotzdem lächelte Marla. »Ein echter Mann wäre zusammengebrochen, nicht wahr, Terry? Aber du hast ja gar keine Eier, oder? Du stehst da wie der Herr der Finsternis persönlich, aber du könntest mich nicht ficken, nicht einmal, wenn ich darum betteln würde, und noch viel weniger gegen meinen Willen. Wie kommst du eigentlich darauf, dass du mir Angst einjagen könntest, wenn dieser lächerliche Turm das Einzige an dir ist, das einem Schwanz auch nur annähernd ähnlich sieht?«
Reave spuckte aus. »Du bist nicht Genevieve. Das ist zwar Genevieves Körper aber … Marla?«
Sie machte einen Knicks. »Für den König der Albträume begreifst du ziemlich langsam, Terry.«
»Hältst du das für eine kluge Vorgehensweise? Du hast ein paar Haare, ein Kleidungsstück vielleicht, und schon glaubst du, du könntest Genevieve eine Erholungspause verschaffen? Glaubst du wirklich, dass ich dir nichts tun werde?«
»Natürlich wirst du das nicht, du Schwachkopf. Genevieve ist die Quelle deiner Macht. Niemals würdest du ihr auch nur ein Haar krümmen.«
Reave rümpfte die Nase. »Es gibt Foltermethoden, die nicht zum Tod führen, Marla.«
»Klar gibt’s die, und ich bin sicher, du bist ein wahrer Meister darin, eine wehrlose, traumatisierte Frau auf diese Weise zu quälen. Aber, weißt du, ich bin nicht ganz so wehrlos. Und du magst es nicht, wenn eine Frau sich dir widersetzt, nicht wahr, Terry?«
»Nenn mich nicht Terry!«, donnerte Reave, doch Marla lachte ihm nur ins Gesicht. Sie liebte solche Momente.
»Ach, das hätte ich ja fast vergessen! Terry ist schließlich die kümmerliche Inspiration für dich, nicht wahr? Und zufälligerweise … haben wir ihn. Dein eigentliches, wahres Ich, Arschloch.«
»Du lügst.«
Marla schnaubte nur.
»Und selbst wenn. Es macht keinen Unterschied. Er ist nicht ich. Er ist nur ein Mensch, ich hingegen bin der König der Albträume …«
»Jaja, schon gut. Ich weiß, dass du das gerne glaubst, aber du solltest es eigentlich besser wissen. Dieser alkoholabhängige Vergewaltiger ist genau das, was von dir übrig bleibt, wenn man die ganzen Special Effects abzieht. Ein Nichts, das sich daran aufgeilt, Menschen wehzutun. Und wir haben ihn, was bedeutet, dass wir dich haben.«
»Unsinn!«, zischte Reave.
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