Hexengold
haben sie sich überhaupt zu der Reise zusammengetan. Die familiären Bindungen Grohnerts an den Königsberger Bernsteinhandel machen die Zusammenarbeit vielversprechend«, schloss der hagere Griesebeck wieder deutlich selbstbewusster seine Ausführungen. »Für eine Reise nach Italien, die nur die üblichen Handelsabschlüsse erbringt, hätten der Patron und seine Kompagnons Grohnerts Hilfe ganz gewiss nicht bedurft.«
»Was sagt Ihr da?« Verärgert, dass ihr im ersten Staunen die Frage herausgerutscht war, zuckte Adelaide zurück. Sie überspielte den Moment der Unsicherheit, indem sie stehen blieb und so tat, als habe eine eisige Stelle sie ins Schlittern gebracht. Griesebeck wartete geduldig, bis sie wieder zum Weitergehen bereit war.
Sie aber hatte genug von seiner Gesellschaft. Sie schürzte die rot bemalten Lippen, reckte die Nase in die Luft und warf den Kopf nach hinten. »Nun, sei es, wie es sei, mein lieber Griesebeck, das Wichtigste ist, dass die Herren in Gießen und in den anschließenden Stationen der Reise eine gute Unterkunft vorfinden. Was steht als nächste Etappe auf dem Plan? Die verehrte Frau Grohnert wird sich freuen, wenn ich ihr gleich gute Nachrichten bringen kann.«
20
Der Brief aus Köln enthielt keine guten Nachrichten. Wieder und wieder las Magdalena das Schreiben, bis ihr die Buchstaben vor den Augen verschwammen. Vehement sträubte sie sich dagegen, den Zeilen Glauben zu schenken. Sollte stimmen, was die angebliche Witwe des Vetters mitteilte, hatte Eric sie seit Jahren belogen. Ihr schwirrte der Kopf. Kraftlos sank ihre Stirn gegen die von Eisblumen übersäte Fensterscheibe. Das kalte Glas zu spüren tat gut. Magdalenas Wangen glühten. Jede Bewegung ließ die Glieder schmerzen. Geistesabwesend spielte sie mit dem Bernstein. Seit Erics Abreise am gestrigen Freitag fühlte sie sich krank. Dieser Abschied war anders gewesen als die vorangegangenen, und das nicht allein, weil der schwere Verdacht der Lüge ihn überschattete. Den ganzen Winter über hatte sie bereits gespürt, wie rissig der Faden geworden war, der Eric und sie aneinander band. Nicht einmal der Bernstein vermochte ihr die Kraft zu spenden, sich gegen das drohende Unheil zu stemmen.
Noch einmal hob sie die Papiere aus Köln vor die Augen, bewegte die Lippen beim Lesen mit, als änderte das den Sinn der Worte. Doch es blieb alles, wie sie es schon mehrfach gelesen hatte: Der Vetter war nicht lange nach ihrer Mutter verstorben, und die Witwe hatte das seinerzeit gleich nach Frankfurt geschrieben. Eric hatte sie im Namen Magdalenas ihres Beileids versichert und sich dafür bedankt, an den Erbanspruch in Königsberg erinnert worden zu sein. Magdalena gegenüber aber hatte er niemals ein Wort darüber verloren. Kein Wunder, dass die Witwe sich besorgt erkundigte, warum Magdalena weiterhin an den toten Vetter schrieb. Bitterkeit erfasste sie.
»Dein Veilchentee.« Sanft berührte Carlotta sie an der Schulter und rückte eine dickwandige Tasse auf dem unebenen Fensterbrett herüber. Von dem Schub schwappte die Flüssigkeit über.
»Danke.« Magdalena legte den Brief beiseite, umschloss die bauchige Tasse mit den steif gefrorenen Fingern und genoss die Wärme. Wohlig stieg sie in den Gliedern auf.
»Nimm auch ein Stück von dem Ingwer.« Ungefragt schob Carlotta ihr eine hauchdünne Scheibe der gelblichen Wurzel zwischen die Lippen und lächelte sie aufmunternd an. »Das lindert deine Halsschmerzen.«
Gehorsam zerkaute Magdalena den Ingwer und spürte dem scharfen Geschmack nach, der ihr auf der Zungenspitze brannte. »Du hast deine Lektion gut gelernt«, lobte sie Carlotta mit heiserer Stimme und legte ihr sanft den Arm um die schmalen Schultern. »Ich bin stolz, dass du im Haushalt und im Kontor so fleißig bist.«
Gemeinsam drehten sie sich um. Noch lag der große Raum in trübem Kerzenlicht. Mathias beugte den Kopf tief über Erics Pult. Die dunklen, nackenlangen Haare verbargen sein Gesicht, die verkrampfte Körperhaltung ließ auf ein emsiges Studium der Bücher schließen.
»Wie es Vater wohl geht?« Bei Carlottas Worten zuckte Magdalena zusammen. Es fiel ihr schwer, sich nichts anmerken zu lassen. So unbeschwert wie möglich sah sie das Mädchen an, das nicht länger auf ihre Antwort wartete. »Vaters neue Reisegefährten sind seltsam. Ich glaube nicht, dass es eine gute Idee war, mit so alten Herrschaften die Alpen zu überqueren.«
»Mach dir nicht so viele Gedanken«, versuchte Magdalena sie zu beruhigen.
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