Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
Vom Netzwerk:
Haut gar dunkel und verwittert aus.
    Adelaide seufzte. Mit einem Ruck drehte sie sich wieder um. In den dunklen Augen glitzerten Tränen. Jegliche Spur von Häme und Spott war aus ihrem Gesicht gewichen. »So ein Mal ist eine schwere Last. Ich schulde euch großen Dank, dass ihr niemandem davon erzählt.«

5
    Fünf Tage nach dem Fest der Auferstehung des Herrn prägte die Ostermesse das Leipziger Leben.
    Begeistert tauchte Magdalena kurz nach ihrer nachmittäglichen Ankunft in den Rummel ein. Nicht nur im Schatten des Rathauses wurde gehandelt und gefeilscht, führten Gaukler und Spielleute ihre Kunststücke vor. Auch in den zahlreichen Handels- und Wirtschaftshöfen, wie sie sich etwa an der Grimmaischen Straße bis zum Neumarkt entlangzogen, sowie in den Gewölbekellern und in manchen Gebäuden sogar bis hinauf unters Dach setzten die Kaufleute aus nah und fern die Geschäfte fort. Tausende bevölkerten die Straßen und Plätze. Nichts erinnerte mehr daran, wie sehr die Gegend vor kaum mehr als einem Jahrzehnt unter dem Großen Krieg gelitten hatte. Gut ein Drittel der Einwohner hatte allein in Leipzig sein Leben gelassen. Dennoch blühte und gedieh die Stadt acht Jahre nach dem Abzug der schwedischen Besatzer. Wie ehedem nutzten vor allem polnische und russische Händler sowie Kaufleute aus Böhmen die günstige Lage der Stadt an wichtigen Verkehrswegen, um Geschäfte mit deutschen Partnern zu tätigen.
    »Wie bei uns zu Hause«, rief Carlotta und betrachtete mit leuchtenden Augen die vielen Stände, an denen Waren feilgeboten wurden.
    Zufrieden betrachtete Magdalena das Mädchen. Die düsteren Gedanken, die sie vor wenigen Tagen in Erfurt gequält hatten, schienen vergessen. Zwar vermied sie es geflissentlich, mit Adelaide allein zu sein, und ging auch Mathias aus dem Weg. Die unsinnigen Ideen über mögliche Hexenkünste der beiden aber hatte sie nicht mehr erwähnt.
    »Komm schon, Mutter! Sieh, was es da hinten gibt.« Aufgeregt zog sie Magdalena zur nächsten Hausecke. Ein süßer Duft hing in der Luft. Eine Frau pries an einer Ecke Hefegebäck an, zwei Türen weiter waren es Honig und Naschwerk. Dazwischen schlängelte sich ein Bäckerbursche vorbei, ein prall gefülltes Tablett mit Laugengebäck vor der Brust.
    »Lass uns dort hineingehen. In den Handelshöfen gibt es sicher noch mehr zu sehen«, schlug Magdalena vor und schob die Tochter in den nächsten Eingang. In dem vierseitig umbauten Hof summte es wie im Bienenstock. Zwischen den hohen Mauern fing sich der Schall, was das Stimmengewirr umso lauter erscheinen ließ. Außer den vielen Köpfen und breiten Schultern – in prächtige Pelze gehüllte Männer und fein herausgeputzte Damen – war zunächst kaum etwas zu erkennen. Bald entdeckte Magdalena, dass sich die Stände in den ebenerdigen Geschossen der umliegenden Häuser befanden. Bunte Markisen schirmten die vor den Fenstern und Türen ausgebreiteten Tuche, Felle und Seidenstoffe gegen die Sonne ab. Neugierig prüfte sie die Qualität der Auslagen. Dabei schnappte sie Gesprächsfetzen zweier Männer auf, die sich über die Waren im Nachbarhof unterhielten.
    »Lass uns nach nebenan gehen.« Sie zupfte Carlotta am Ärmel des schlichten dunkelroten Leinenkleids. »Dort werden Edelsteine gehandelt. Vielleicht ist auch Bernstein darunter.«
    »Meinst du, da triffst du Vater?« Aufgeregt riss die Dreizehnjährige die blauen Augen auf. Magdalena erstarrte. An diese Möglichkeit hatte sie gar nicht gedacht. »Das wäre ein Zufall. Wie aber sollen wir ihn in der Menge finden?« Sie sah sich um, als rechnete sie damit, Eric sofort zu sehen. Dann aber siegte die Vernunft. »Nein, mein Kind, er wird nicht hier sein. Vor mindestens zwei Wochen schon muss er durch Leipzig gekommen sein. Warum hätten er und seine Gefährten einen längeren Aufenthalt in Leipzig einplanen sollen? Ihr Ziel heißt Königsberg. Die Zeit, rechtzeitig dorthin zu gelangen, ist knapp genug. Selbst die Messe wird sie nicht davon abbringen, noch dazu, wo sie noch nie zur Messe hier gewesen sind.«
    »Diehl, Imhof und Feuchtgruber wahrscheinlich nicht, aber Vater möglicherweise schon. Nach allem, was Tante Adelaide erzählt hat, kann ich mir gut vorstellen, dass er bereits öfter hier gewesen ist. So eine Möglichkeit zu handeln, wird er sich nicht entgehen lassen.« Als Magdalena sie weiterhin skeptisch anschaute, setzte sie trotzig hinzu: »Du weißt doch gar nichts über ihn! Wie willst du dir sicher sein, was er wirklich getan

Weitere Kostenlose Bücher