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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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hat?«
    Die Bemerkung traf Magdalena ins Mark. Unwillkürlich tasteten die Finger nach dem Stein um ihren Hals, klammerten sich an den alten Beweis von Erics Liebe. Der Bernstein fühlte sich kalt an, strahlte nicht das Geringste aus. Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie schluckte sie mühsam hinunter. Das Schlimme war, dass Carlotta recht hatte: Viel zu viele Jahre hatte Eric fernab von ihr verbracht, über die er sich bis zum heutigen Tag ausschwieg. Gut möglich, dass er die in Leipzig oder am Frischen Haff verbracht hatte. Dank der familiären Bindungen zu Schweden über Vetter Englund wäre ihm das selbst zur Zeit der schwedischen Besatzung nicht schwergefallen. Jäh brach sich ein weiterer Gedanke Bahn: Wer mochte garantieren, dass Eric ihr über all die anderen Monate und Jahre, während derer sie ihn in Italien oder sonst wo im Süden wähnte, die Wahrheit gesagt hatte? Die alte Wunde riss wieder auf. Wie Erics Verletzung aus der Zeit des Großen Krieges wollte auch ihre Verletzung nicht mehr so recht heilen. Der Unterschied bestand einzig darin, dass seine Narbe sichtbar war, mit der richtigen Salbe und einem Pflaster gut zu behandeln. Ihre Verletzung aber steckte tief in ihr, unerreichbar für jegliche Form von Heilmitteln. Lediglich Erics Liebe vermochte dagegen etwas auszurichten. Die aber hatte sich als die Ursache des Schmerzes entpuppt.
    »Mutter, was ist mit dir?« Besorgt berührte Carlotta sie am Arm. »Soll ich dir einen Platz zum Ausruhen suchen? Brauchst du einen Schluck Wasser?«
    Magdalena spürte, wie ihr der Hals eng wurde, sie kaum noch Luft bekam. Auf einmal ertrug sie die Händler und Kunden nicht mehr. Das Stimmengewirr wurde zu furchtbarem Lärm. Ihr Kopf drohte zu bersten. Sie wollte die Waren nicht mehr anschauen, die Gerüche von Farben, Garnen und Kräutern nicht mehr aushalten, die Ausdünstungen der eng zusammenstehenden Menschen nicht mehr einatmen.
    »Ich muss hier raus«, keuchte sie und drängte bereits zu einem der Hofausgänge. Sie achtete nicht darauf, ob Carlotta ihr folgte. Das Mädchen war alt genug, sich in dem Gewühl zu behaupten. Flink schlängelte sich Magdalena zwischen den unzähligen Menschenleibern hindurch. Draußen auf der Straße angekommen, wischte sie sich die Schweißperlen von der Stirn.
    »Du zitterst ja.« Carlotta fasste sie am Arm. »Soll ich dir nicht doch einen Schluck Wasser besorgen?«
    »Lass uns lieber gleich zurück zu unserer Unterkunft gehen. Ich werde mich eine Weile hinlegen.« Bevor das Mädchen dagegen protestieren konnte, raffte Magdalena den Rock und wandte sich nach rechts, die breite Straße zum Grimmaischen Tor hinunter. An der nächsten Ecke bog sie links ab. Nicht weit von der Nikolaikirche hatten sie auf Ehringers Vermittlung ein passables Quartier gefunden. Eine Kaufmannswitwe beherbergte dort zu Messezeiten in den Räumen eines ehemaligen Kontors Gäste. Das Haus war vollständig aus Stein gebaut und umgrenzte mit mehreren anderen einen rege besuchten Wirtschaftshof. Im Gewölbekeller war ein Weinausschank eingerichtet. Schon von weitem war die Menschentraube zu erkennen, die sich rechtzeitig zum Beginn des abendlichen Schoppens dort sammelte. Der prächtige Giebel des Hauses, im italienischen Stil gehalten, überragte mit seinen drei Geschossen die nahe gelegenen Gebäude. Golden blitzten die oberen Fenster im Licht der Abendsonne.
    »Wie reich die Stadt ist!« Carlotta blieb mitten auf der Straße stehen und betrachtete verzückt die Umgebung, als nehme sie sie zum ersten Mal bewusst wahr. »Wer in solchen Häusern lebt, muss zeit seines Lebens ausgesorgt haben. Ich verstehe nicht, warum unsere Wirtin überhaupt Fremde bei sich aufnimmt.«
    »Warum nicht?« Magdalena fühlte sich angesichts des nahen Ziels bereits erheblich besser. Sie hob ebenfalls den Blick und bewunderte die beeindruckende Fassade ihrer derzeitigen Unterkunft. Gerade öffnete sich die Tür zum Weinkeller, die davor wartenden Menschen verschwanden darin. Ein Hauch kühler Luft wehte herauf, vermischt mit der Ahnung von herbem Wein und frischem Laugengebäck. Magdalena ließ sich nur kurzzeitig ablenken. Schon betrachtete sie wieder das Haus. Im Vergleich zu ihrem verlorenen Heim an der Frankfurter Fahrgasse machte das Leipziger Anwesen tatsächlich weitaus mehr her: Zahlreiche Fenster, Zierbögen, reich geschmückte Balustraden und Erker verliehen ihm ein geradezu königliches Aussehen. »Vergiss nicht, eine solche Pracht will gepflegt werden. Das kostet

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