Hexengold
vorwitzigen roten Locken darunter. »Lass uns auf den Dachboden gehen, Adelaide. Dort habe ich gestern etwas entdeckt, was dich interessieren wird.«
Auffordernd streckte sie der Base die Hand entgegen und zog sie die Treppe hinauf. Etwas außer Atem, weil sie die Treppen sehr schnell genommen hatten, erreichten sie die Tür am obersten Treppenabsatz. Unter den Falten ihres Rocks fingerte Magdalena einen Schlüssel hervor und steckte ihn ins Schloss. Dreimal musste sie ihn gegen heftigen Widerstand drehen, bis der Riegel nachgab und sich die Tür öffnete.
Gähnend leer erstreckte sich der riesige Speicherraum dahinter. Er reichte über die gesamte Höhe des Stufengiebels. Trutzige Stützpfeiler und gewaltige Querbalken teilten sich die Last des Schieferdachs. Magdalena stieß zwei der wetterverzogenen Fensterläden an der Stirnseite auf. Sofort strömte gelbliches Sonnenlicht in den Speicher. Eine Taube stürzte sich wild mit den Flügeln schlagend aus dem Gebälk nach unten. Die Federn stoben durch die Luft. Nach mehreren Runden hektischen Flatterns fand das Tier endlich die Fensteröffnung und floh ins Freie.
Übertrieben wedelte Adelaide mit der Hand vor ihrem Gesicht. Die gekräuselte Nase verriet den Ekel, den sie beim Anblick des Vogels empfunden hatte.
»Ist wohl schon länger her, dass jemand hier oben war.« Vergnügt sog Magdalena den Geruch nach sonnengewärmtem Holz ein. »Ist es nicht eine Schande, dass dieser wunderbare Speicher ungenutzt ist? Vielleicht sollte ich das als glückliche Fügung sehen. Weder Eric noch Vinzent haben ihn bislang als Lager für das Kontor entdeckt. So kann ich ihn in Besitz nehmen und die beiden vor vollendete Tatsachen stellen.«
»Was willst du hier oben? Einen Tanzsaal einrichten?« Starr verharrte Adelaide an der Tür.
»Schau dich doch mal um! Geht dir nicht das Herz auf, wenn du siehst, wie großartig das alles zur Bevorratung von Kräutern, Mineralien und dergleichen geeignet ist? Wenn ich mich nicht täusche, wurde er bis vor kurzem auch dazu genutzt. Hedwig hat mir erzählt, dass du selbst erst am Abend vor unserem Einzug die letzten Reste ins Feuer geworfen hast.« Dicht trat sie an Adelaide heran, die unwillkürlich einen Schritt zurückwich. Es war Magdalena, als erspähte sie einen Anflug von Furcht oder zumindest leichtes Erschrecken im Gesicht der anderen.
»Ach, das ist doch wieder mal dummes Geschwätz von der Alten gewesen! Sie bringt auch alles durcheinander. Alte Lumpen habe ich damals verbrannt, mehr nicht. Warum erzählst du mir überhaupt von deinen seltsamen Ideen? Ich bin zwar schon lange mit einem Kaufmann verheiratet, doch von Lagerung und all diesen Dingen habe ich nicht die geringste Ahnung. Das ist Vinzents Metier, da halte ich mich wohlweislich heraus.« Adelaide drehte sich um. Magdalena aber fasste sie am Arm und zwang sie zu bleiben. »Schade, ich dachte, du interessierst dich auch für Heilkunde. «
»Wie kommst du darauf?« Abermals blitzte ein verräterischer Ausdruck von Furcht in Adelaides schwarzen Augen auf. Dieses Mal war Magdalena sicher, es gesehen zu haben. Entschlossen zog sie die um gut einen Kopf größere Base wie ein kleines, ungezogenes Kind mit sich. Das Widerstreben der anderen bestärkte sie in ihrem Tun, vermutete sie darin doch einen ganz bestimmten Grund: Adelaide fürchtete die Entdeckung eines Geheimnisses!
Schmunzelnd steuerte Magdalena den hinteren der drei gemauerten Stützpfeiler an. Die Holzdiele direkt davor war lose. Das leichte Schwingen, wenn man den Fuß darauf setzte, hatte ihr das gestern schon verraten. Behende ging sie in die Hocke und hob das Holz an. Ein Hohlraum kam darunter zum Vorschein, in dem ein kleines Kästchen lag.
»Nein!« Adelaide entfuhr ein spitzer Schrei. Langsam ließ sie sich direkt neben Magdalena nieder. »Wie hast du das gefunden?« Ihre sonst so kräftige, melodische Stimme glich nur noch einem heiseren Krächzen. Dieses Mal rührte die Blässe auf den Wangen nicht von dem hellen Puder, den sie sich auftrug, sondern von der Angst, die sie zeichnete.
»Du hast es nicht über dich gebracht, das Kästchen ebenfalls zu verbrennen, nicht wahr?« Beschwichtigend legte Magdalena ihr die Hand auf den Arm. Adelaide schob sie brüsk weg und verschränkte die Arme vor der Brust. Magdalena wartete, ob sie es sich anders überlegen würde. Als die Base sich nicht rührte, hob sie das Kästchen hoch und öffnete es. Zum Vorschein kamen ein mehrfach gefaltetes Stück Papier sowie eine
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