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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Die letzten Wochen, in denen sie beinahe jeden Tag miteinander verbracht hatten, hatten sie unvorsichtig werden lassen.
    Es war zu spät, die Worte waren gesprochen, und Adelaide bekam Oberwasser. Triumphierend reckte sie die Nase in die Luft. »Das habe ich mir doch gleich gedacht, dass Eric dir nicht alles erzählt hat.«
    »Eric ist immer aufrichtig zu mir.« Das klang allerdings mehr wie eine Entschuldigung denn wie eine Klarstellung.
    »So?« Amüsiert stemmte Adelaide sich die Hände in die Seiten. Das Kästchen behielt sie fest in der Hand. »Schon auf der Herbstmesse waren wir beide uns doch einig, dass dem nicht so ist. Oder hast du das schon wieder vergessen?« Sie zwinkerte verschwörerisch. »Es hat durchaus seine Vorteile für uns Frauen, wenn wir nicht darauf bestehen, dass uns unsere Männer alles sagen. Allerdings dürfen wir die Grundregel dieses Spiels nie außer Acht lassen: Unsere Kunst muss es sein, trotz allem die Fäden nicht aus der Hand zu geben.«
    »Was redest du da?« Magdalena versuchte, die andere glauben zu machen, sie verstünde kein einziges Wort. Adelaide aber durchschaute sie. Schlimmer noch: Sie sah keinen Anlass, ihr den Gefallen zu tun und den Mund zu halten. Böse funkelten ihre Augen. »Du weißt also nicht, wie es in Wahrheit um Eric bestellt ist? Dann ist es wohl meine leidige Pflicht, dir reinen Wein einzuschenken. Eric hat guten Grund, seine Herkunft zu verbergen, zumindest nach außen hin. Warum er es dir gegenüber auch so hält, weiß ich nicht. Das ist eine Sache zwischen euch beiden, über die ihr euch miteinander verständigen müsst. Vinzent und ich jedenfalls haben keinerlei Geheimnisse voreinander.«
    Sie hielt inne und kostete die Wirkung ihrer Worte in vollen Zügen aus. Magdalena begann zu zittern. Es raschelte. Eine Maus huschte aus dem Loch, in dem sich eben noch Adelaides Kästchen befunden hatte. Verärgert stieß Magdalena das Holzbrett zurück und trat es fest, bis es plan mit den anderen Dielen abschloss.
    Unbarmherzig fuhr Adelaide fort: »Gewiss kannst du dir schon denken, dass weder Vinzent und ich noch offenbar du selbst genau weißt, wer Eric wirklich ist. Das Einzige, was ich dir mit Sicherheit über ihn sagen kann, ist: Er ist nicht Vinzents verschollener und letztens erst wiedergefundener Vetter. Genauso wenig ist er der Neffe von Onkel Friedrich. Die Urkunden und Briefe, die das belegen sollen, sind allesamt falsch. Völlig zu Unrecht hat Eric also das Erbe unseres alten Oheims angetreten.«
    Eine Weile hingen die Worte schwer im Raum. Magdalena war, als schwankte der Boden unter ihren Füßen. Die staubige Luft trocknete ihr die Kehle aus. Am liebsten wäre sie blindlings davongestürzt. Einerseits hätte es eine Erleichterung sein können, dass der Spuk mit der neuen Verwandtschaft ein rasches Ende fand. Andererseits durfte genau das nicht geschehen. Sie konnten diese Bande nicht zerreißen, denn dann stünde Eric als ehrloser Betrüger da.
    Die Taube kehrte durch das offene Fenster zurück, drehte zwei, drei Runden über ihren Köpfen und schoss dann wieder nach oben ins Gebälk. Eifriges Gurren war zu vernehmen. Flügel schlugen, Federn rieselten herab. Das aufgeregte Trippeln von Vogelkrallen auf Holz erfüllte den Speicher.
    »Vinzent hat Eric also einfach so das Erbe überlassen.« Zögernd sprach Magdalena die Tatsache aus und trat einen Schritt beiseite. Sie senkte den Blick. Während sie den Verlauf der Holzfasern auf dem Dielenboden studierte, versuchte sie, der verwirrenden Gedanken in ihrem Kopf Herr zu werden. Endlich räusperte sie sich, hob den Kopf und sah Adelaide geradewegs an. »Dabei hängst du so sehr an diesem prächtigen Haus. Am liebsten würdest du selbst hier wohnen, nicht wahr?«
    Nun war es an Adelaide, den Blick abzuwenden. Eine Base war wohl wie die andere, dachte Magdalena, von Habgier und Neid zerfressen. Adelaide erinnerte in vielem an Elsbeth, ohne dass beide nur einen einzigen Tropfen Ahnenblut miteinander teilten. Seltsamerweise bestärkte das Magdalena auf einmal. Hastig redete sie weiter. »Wenn Vinzent Eric zuliebe das alles aufgegeben hat, wird es einen guten Grund dafür geben. So wie ich meinen Gatten kenne, hat er seinem Freund aus einer außerordentlich großen Verlegenheit geholfen, indem er das Erbe an seiner statt übernommen hat. Andererseits aber nützt es keinem von beiden, wenn dieser Handel ruchbar wird. Also gilt es, den Mantel des Schweigens darüber zu breiten. Damit, meine Liebe, sind wir

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