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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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antworten konnte, hielt Pohlmanns Kutscher mit einem lauten Ruf seine Ochsen an. Karl auf dem nachfolgenden Frachtwagen fluchte laut über den plötzlichen Halt. Gerade noch konnte er die Zügel ziehen und seine Zugtiere rechtzeitig vor dem Aufprall zum Stehen zu bringen. Einer der Wachleute ritt zum ersten Wagen und hieß Rudolf ebenfalls sofort anhalten. Unter lautem Knirschen gruben sich die eisenbeschlagenen Räder in den staubtrockenen Boden. Die Ochsen schnaubten entrüstet, die Pferde wieherten. Das Stöhnen in dem Pohlmann’schen Wagen aber war inzwischen laut genug, den Lärm der Tiere zu übertönen. Magdalena war sich sicher, so schrie nur eine Frau in den Wehen. Kein gutes Zeichen. Die alte Pohlmännin und ihre Magd waren wohl kaum noch guter Hoffnung, allein die Junge befand sich im gebärfähigen Alter. Der dürren Frau aber war nichts anzumerken gewesen. Schlimmstes befürchtend, rannte Magdalena zu dem Fuhrwerk.

17
    Pohlmann saß nicht mehr auf dem Kutschbock. »Was ist passiert?«, fragte Magdalena den vierschrötigen Kutscher. Der spuckte den Grashalm aus, auf dem er seit Stunden kaute, und wandte ihr träge den Kopf zu, als ginge ihn das alles nicht das Geringste an. »Weiß nicht«, brummte er. »Die Gnädige hat wohl Schmerzen.«
    »Das ist kaum zu überhören.« Ohne zu zögern kletterte Magdalena auf den Wagen.
    »Ihr könnt da nicht rein«, versuchte der Kutscher, sie davon abzuhalten, unter die Plane zu kriechen. Sie aber stieß ihn beiseite und verschaffte sich ungerührt Durchlass nach hinten.
    »Es ist nichts«, schrie die alte Pohlmännin und schoss unter der Leinwand hervor. Mit zittrigen Händen hielt sie die Enden des Tuchs hinter ihrem Rücken zusammen, um Magdalena den Blick auf das Geschehen im Inneren zu verwehren. Das Stöhnen und Schnaufen aber drang weiter heraus. »Geht zu Eurem Kind zurück. Wir sind gleich so weit, und dann geht es weiter.«
    »Das hört sich aber nicht danach an«, erwiderte Magdalena. »Lasst mich besser nach dem Rechten sehen. Mir war, als schrie Eure Schwiegertochter in Kindsnöten. Wenn dem so ist, sollten wir alles tun, die Frau und das Kind zu retten. Jeder Augenblick zählt.« Damit schlängelte sie sich an der alten Kaufmannsfrau vorbei.
    Der rotgesichtige Pohlmann saß auf dem Boden des Wagenkastens und sah verwirrt zu ihr auf. Seine grauen Augen wirkten noch farbloser als sonst, die Furchen in seinem Gesicht noch tiefer eingegraben. Das dunkelblonde Haar stand in wüsten Strähnen vom Schädel ab. Das Haupt seiner blutjungen Frau hatte er wie einen Schatz in seinen Schoß gebettet, mit dem Hut fächelte er ihr Luft zu. Stöhnend wand sich die dünne Gestalt inmitten der Körbe, Kisten und Säcke. Dabei verrutschten ihr die Röcke. Das dunkle Rinnsal, das sich unter dem Stoff auf dem Wagenboden abzuzeichnen begann, war eine Blutspur.
    Die griesgrämige Magd Hanna hatte sich ans hintere Ende des Wagenkastens geflüchtet, die Beine vor den Körper gezogen und rief immerzu: »Gott, der Allmächtige, steh uns armen Sündern bei!« Hastig schlug sie ein um das andere Mal das Kreuzzeichen. Ihre ausgezehrte Altweiberbrust bebte, dass es einen erbarmte.
    »Helft uns, Verehrteste«, flehte Pohlmann. Auf seinem Gesicht spiegelten sich die Schmerzen seiner jungen Gattin wider. Flehentlich sah er zu Magdalena empor. »Ich ertrage das nicht mehr! Was habe ich nur getan? Warum trifft es immerzu mich? Gott kann mir doch nicht schon wieder mein Weib nehmen!«
    »Was redest du da für einen Unfug?« Erbost fuhr seine Mutter herum. »Siehst du nicht, was mit deiner Frau vorgeht? Mit ihr ist es das Gleiche wie bei Helmbrecht letztens.« Beschwörend beugte sie sich vor und zischte leise: »Der Teufel ist in sie gefahren und versucht, die Seele der Ärmsten zu rauben. Was denkst du«, ihre Stimme schwoll bedrohlich an, »wem du das zu verdanken hast?« Sie stieß Magdalena den knochigen Zeigefinger gegen die Brust.
    »Was soll das?« Pohlmann riss die Augen noch weiter auf und ließ den Kopf seiner Frau los. Der Schädel schlug gegen einen der Körbe. Die arme Frau, die sich ohnehin in schlimmen Krämpfen wand, erlitt noch ärgere Pein. Ein qualvoller Aufschrei war alles, wozu ihr arg gebeutelter Körper noch imstande war. Dann verfiel sie in unheimliche Starre. Leichenblässe überzog das zierliche Antlitz.
    »Lasst mich sehen, was wirklich mit ihr ist.« Langsam ging Magdalena in die Knie, schob das störende Gepäck so weit wie möglich beiseite und rutschte

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