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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Schon breitete sich der erfrischende Duft unter der stickigen Plane aus.
    Sanft fuhr der Wagen an. Der Kutscher schien darauf bedacht, Magdalenas Bitte Folge zu leisten und das Fuhrwerk ohne große Erschütterungen über die unebene Straße zu geleiten. Dennoch schien es Magdalena eine Ewigkeit, bis sie den schützenden Waldrand erreichten. Darüber hörte sie auf zu zählen, wie weit die Wehen auseinanderlagen. Die steten Erschütterungen des Wagens schienen die Abstände wieder erheblich zu verkürzen, gleichzeitig wurden sie stärker.
    Endlich hielten sie an. Sofort sprang Carlotta aus dem Wagen und kümmerte sich um das heiße Wasser. Dem Stimmenwirrwarr außerhalb der Plane entnahm Magdalena, dass ihr dabei tatsächlich Mathias zu Hilfe ging. Keuchend schleppte er gar die Kessel bis zur Plane. Hätte Carlotta nicht lauthals protestiert, wäre er sogar bereit gewesen, sie ins Wageninnere zu verfrachten. Umso erstaunlicher, dass niemand der anderen Frauen sich blicken ließ, um ihnen beizustehen. Sich lange darüber zu wundern fehlte Magdalena die Zeit. Das anschwellende Keuchen der jungen Pohlmännin forderte ihre volle Aufmerksamkeit.
    Ausgerechnet da meldete sich Helmbrecht mit seiner wohltönenden Bassstimme von draußen: »Braucht Ihr noch etwas, Verehrteste?«
    Bevor sie antwortete, atmete Magdalena zwei, drei Züge lang mit der Gebärenden mit. »Langsam, langsam«, flüsterte sie ihr zu. Roswitha hatte es ähnlich gehalten, wenn eine Frau zu hastig keuchte. »Das nimmt ihr sonst die Luft«, hatte sie erklärt. Ohne ausreichend Luft aber konnte keine ein lebendiges Kind aus sich herauspressen.
    »Ein Licht, bringt uns ein Talglicht«, rief Magdalena zu Helmbrecht hin, als die Wöchnerin endlich ihren Rhythmus gefunden hatte. An Carlotta gewandt, sagte sie: »Streu von dem Kümmel in den Wasserbottich und gib etwas Anis hinzu. Auch getrocknete Kamille wird nicht schaden. Danach kannst du ihr mit Rosenwasser das Gesicht tupfen. Das wird sie erfrischen. Nimm auch noch einmal von der Poleiminze. Die Fliegen werden wieder frecher.«
    Alsbald erfüllte der penetrante Geruch der Kräuter den Wagen und überdeckte auch den Rußgeruch der Talglichter, die ihnen hineingereicht wurden. Die blakenden Flammen tauchten das Innere des Fuhrwerks in ein gelbrotes Licht.
    »Du scheinst wieder ganz in deinem Element zu sein, meine Liebe.« Wie aus dem Nichts tauchte Adelaides Gesicht am hinteren Ende der Wagenplane auf. Magdalena hob den Kopf. Die Base machte keine Anstalten, zu ihnen hinaufzuklettern. Ihre schwarzen Augen funkelten. Aufmerksam suchten sie das Wageninnere ab, saugten jede Einzelheit begierig auf, bis sie in Magdalenas Blick zur Ruhe fanden. Starr schauten die beiden Frauen einander an. Adelaides Nasenspitze schnupperte. Ein wissender Ausdruck huschte über ihr ebenmäßiges Gesicht. »Deine Hilfe können wir gut gebrauchen«, sagte Magdalena und wies mit dem Kopf auf die Gebärende.
    Adelaide zuckte zusammen. Dann breitete sich ein böses Lächeln auf ihrem Antlitz aus. »So wie in Leipzig? Tut mir leid, meine Liebe! Dieses Mal musst du auf meine Unterstützung verzichten.« So plötzlich, wie sie aufgetaucht war, verschwand sie wieder.
    »Was war das?«, fragte Carlotta verwirrt.
    »Vergiss es besser«, erwiderte Magdalena rasch und versagte sich selbst, weiter über den Auftritt der Base nachzudenken. Es gab Wichtigeres zu tun. Als wäre das ein Zeichen, überkam die nächste Wehe den Leib der Wöchnerin. Stöhnend und ächzend wand sie sich. Schweigend taten Magdalena und Carlotta das wenige, was sie tun konnten, der armen Frau zu helfen. Das Kind war nicht zu retten, so viel stand nach neuerlichem Abtasten endgültig fest. Wenigstens die Frau aber wollte Magdalena am Leben halten.
    Kaum war das blutende Etwas aus dem zarten Leib, schlug sie es in ein Tuch. Geschwind band sie ein weiteres darum, um Blut und Schleim zu verbergen. Auch die lästigen Fliegen wollte sie sich nicht daran laben lassen. Schon kam die Nachgeburt aus dem arg gebeutelten Leib und wurde ebenfalls vollständig in Tücher gehüllt. Carlotta begriff sofort, was damit zu tun war, und huschte mit den Bündeln unter dem Arm aus dem Wagen davon.
    Magdalena spähte ihr unter der Plane verborgen nach. Draußen war es bereits düster. Die übrigen Reisenden standen am Waldrand um ein Feuer versammelt. Das beruhigte sie. So würde Carlotta keine Aufmerksamkeit erregen. Weder die alte Pohlmännin noch ihre Magd sollten die Bündel zu sehen oder

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