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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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beschämten Magdalena. Zunächst wusste sie nichts zu erwidern. Kaum vorstellbar, dass ihr kleines Mädchen so reden konnte! Und sie musste ihr insgeheim recht geben: All das Gute des Trosslebens ließ sich tatsächlich auch im Frieden finden – ohne dass es anderen Leid und Unrecht brachte. Man musste allerdings bereit sein, es auch finden zu wollen. Es lag also an ihr, das zu tun. Dass ihre kleine Tochter ihr das sagen musste! Gerührt wandte Magdalena sich ab und fasste an den Bernstein, der an der Lederschnur zwischen ihren Brüsten hing. Ihre Finger schlossen sich eng um den goldenen Stein. Die vertraute Wärme durchströmte sie.
    »Warum führt uns Helmbrecht eigentlich durch diese Gegend?«, fragte Carlotta nach einer Weile. »Es hätte doch gewiss andere Routen nach Königsberg gegeben, und Vater wird auch nicht hier entlangreiten, nicht wahr? Willst du mir nicht endlich verraten, was dahintersteckt?«
    Erstaunt musterte Magdalena ihr kluges Kind. Ahnte sie etwas von Helmbrechts Mission? Davon hatte er doch nur ihr gegenüber gesprochen. Zumindest hatte sie das bislang geglaubt. »Warum?«, fragte sie in möglichst beiläufigem Ton. »Für Helmbrecht ist es die vertraute Route von Posen nach Thorn. Den Gefechten um Thorn kann man ausweichen. Über Land bleibt es die beste Verbindung von Leipzig nach Königsberg. Ob dein Vater hier entlanggeritten ist, spielt keine Rolle. Ihn werden wir bis Königsberg so oder so nicht mehr einholen. Außerdem müssen wir uns darin fügen, was Helmbrecht tut. Es war großes Glück, in Leipzig auf jemanden wie ihn zu treffen. Drei allein reisende Frauen mitsamt einem halbwüchsigen Burschen in einen Reisetrupp aufzunehmen ist heutzutage nicht selbstverständlich, noch dazu auf dieser Strecke. Die Verantwortung ist gewaltig. Bei einem Überfall sind wir Frauen eher eine Zielscheibe denn eine Hilfe. Nur mit jemandem wie Helmbrecht werden wir überhaupt nach Königsberg kommen. Allein hätten wir keine Chance.«
    Trotz der klaren Worte schwanden die Zweifel nicht aus Carlottas Blick. Magdalena zuckte die Schultern. »Natürlich gibt es immer mehrere Wege, ein Ziel zu erreichen. Oft aber bleibt einem keine Wahl. Man muss darauf vertrauen, dass das Schicksal schon weiß, warum es einen auf einen bestimmten Weg drängt.« Carlotta wollte eine Bemerkung einflechten, Magdalena aber ließ keine Unterbrechung zu: »Es bleibt uns nichts anderes, als uns zu fügen und zu hoffen, dass sich am Ende alles zum Guten wendet.«
    Carlottas Augen funkelten. Magdalena sah sie prüfend an. »Das ist nicht einfach, mein Kind. Niemand weiß das besser als ich. Doch wir haben keine andere Möglichkeit.« Abermals zog sie das Mädchen an sich. Zunächst versteifte sie sich, dann aber spürte Magdalena, wie der Widerstand aus dem zierlichen Körper wich. Bevor sie Carlotta losließ, hauchte sie ihr einen Kuss auf das helle Kopftuch, unter dem sie die rotblonden Locken vor der Sonnenglut verbarg.
    Schweigend setzten sie den Weg Seite an Seite fort. Das Rattern der Fuhrwerke gab den Rhythmus vor, in dem sie marschierten. Gelegentlich schnaubten die Ochsen und drängten von hinten mit ihren feuchten Schnauzen gegen sie. Die Sonne sank langsam tiefer, der lichte Laubwald öffnete sich, bald waren sie auf freiem Feld unterwegs. Gelegentlich strich ein sanfter Wind über die hüfthohen Gräser. Störche zogen ihre Bahnen durch die Luft. Das nächste Gehöft konnte nicht mehr weit sein.
    »Bis zum Abend werden wir das Ufer der Netze erreicht haben.« Magdalena legte wieder den Arm um die Schultern der Tochter. »Ich werde wohl meine nackten Füße hineinstrecken. Die Abkühlung wird meinen müden Fußsohlen guttun.« Mit der freien Hand strich sie eine verschwitzte Haarsträhne aus der Stirn.
    »Eine gute Idee«, antwortete Carlotta und wirkte auf einmal zerstreut. »Hoffentlich will Tante Adelaide nicht trotzdem noch ein eigenes Bad für sich hergerichtet haben.«
    »Vielleicht sollten wir ihr sagen, wie gut frisches Flusswasser für die Haut ist. Es beseitigt allen lästigen Schmutz …« Magdalena schmunzelte und zwinkerte Carlotta zu.
    Sogleich stieg die Kleine ein: »Damit kann man bestimmt so manch hässliche Flecken beseitigen.«
    Vergnügt lachten sie. Magdalena freute sich, Carlotta zumindest für wenige Augenblicke wieder unbeschwert zu erleben. Ein Stöhnen aus dem Wagen hinter ihnen unterbrach ihre Neckereien. »Hast du das gehört?«
    »Was?« Verständnislos sah Carlotta sie an.
    Bevor sie

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