Hexengold
war die schwanger. Ich selbst habe sie all die letzten Wochen gebadet! Erzählt mir nicht, ich hätte übersehen, dass sie guter Hoffnung war. Wem, wenn nicht mir, wäre ein dicker Bauch wohl zuerst aufgefallen?«
Unter den Fuhrleuten erhob sich leises Kichern. Pohlmann sog deutlich die Luft ein, indessen gebot Helmbrecht den Männern mahnend durch eine erhobene Hand Schweigen.
»Ich weiß nicht, wie gut deine Augen sind und wie genau du deine Herrin anschaust, wenn sie im Zuber hockt«, wandte sich Magdalena der Magd direkt zu und versuchte sich in einem Lächeln. Schließlich wollte sie es sich keineswegs mit ihr verscherzen. Ebenso wenig aber durfte sie die törichten Lügen unwidersprochen stehenlassen. Mit eigenen Augen hatte sie gesehen, wie weit die Schwangerschaft der jungen Pohlmann bereits fortgeschritten war, ohne dass man es ihr angesehen hatte, wenn sie ihre Röcke trug. »Nur zu gut ist es möglich, dass du überhaupt nichts gesehen hast, selbst beim Baden. Wie alle anständigen Bürgersfrauen wird sie im Hemd gebadet haben, nicht wahr? Ich jedenfalls halte es so und entblöße mich nicht vor meinem Gesinde.«
Auf diese Bemerkung erhob sich abermals leises Gelächter unter den Fuhrleuten. Adelaides aufreizende Badegewohnheiten, die diesem Ideal der Schicklichkeit Hohn sprachen, hatten längst für reichlich Gesprächsstoff gesorgt. Helmbrecht räusperte sich, um sie abermals zum Schweigen zu bringen. Magdalenas Blick streifte Pohlmann. Der dunkelblonde Mann mit dem roten Gesicht hielt den Kopf gesenkt und schwieg. Helmbrecht legte ihm den Arm um die Schultern und raunte ihm etwas ins Ohr. Sie wartete geduldig. Nichts geschah. Wie wünschte sie sich, Helmbrecht ergriff das Wort und verteidigte sie lauthals! Stattdessen blickte auch er stumm zu Boden.
Ungefragt trat Adelaide vor. Ihre dunklen Augen glänzten im fahlen Mondlicht, um den Mund zuckte es. Die geschwungenen Augenbrauen wölbten sich nach oben. Die wohlgeformte Nasenspitze ragte in die Luft, die Nasenflügel zitterten leicht. »Magdalena, du weißt, wie sehr ich dich und vor allem deine Heilkunst schätze.« Selten hatte ihre Stimme derart melodiös geklungen. Überrascht blickte Magdalena sie an. Ihr Verstand warnte sie. Als konnte sie Gedanken lesen, lächelte die Base sie an und bat nach einem betonten Atemholen: »Erkläre uns doch einfach, was in den letzten Stunden mit der armen Gemahlin unseres Freundes Pohlmann geschehen ist. Du wirst verstehen, meine Liebe, wie groß unser aller Sorgen sind. Nicht zuletzt nach dem, was unser verehrter Helmbrecht unlängst erst durchgemacht hat.«
Die Augen starr auf sie gerichtet, trat Adelaide näher. Magdalena wich ihr nicht aus. Sie beide atmeten im selben Takt. Keine zwei Schritte vor ihr blieb die Base stehen und hob die Hände, als wollte sie sie umarmen. Mitten in der Luft verharrte sie allerdings in der Bewegung. Schließlich umschrieb sie mit den Händen einen Kreis und verschränkte die Finger wie zum Gebet vor dem Busen. »Was genau ist in den letzten Stunden im Wagen passiert, meine Liebe?«, fragte sie noch einmal.
Magdalena spitzte die Ohren. Täuschte sie sich oder schwang da eine Drohung mit? Trotz des schwachen Lichts entging ihr nicht das gefährliche Funkeln in dem tiefen Schwarz ihrer Augen. Entschlossen streckte sie den zierlichen Körper durch und erwiderte mit fester Stimme: »Du kannst fragen, so viel du willst, meine liebe Adelaide. Es besteht nicht der geringste Grund zur Sorge, allenfalls zur Trauer. Die Vorgänge im Wagen sind ganz natürlich. Ein totes Kind hat die arme Pohlmännin geboren. Dort in dem Bündel liegt die arme Seele. Erspart euch den traurigen Anblick. Stattdessen solltet ihr lieber für die rasche Genesung der Wöchnerin beten und Gottes Beistand für das ungetaufte Wesen erbitten. Gottes Wege sind unerforschlich. Nie werden wir begreifen, warum er manche von uns mit harten Prüfungen bedenkt, andere aber stets großzügig belohnt. Trotzdem müssen wir am rechten Glauben festhalten. Er allein kann uns leiten, den richtigen Pfad des Lebens zu beschreiten.«
Die letzten Sätze sprach sie gezielt zu Pohlmann, der jedoch weiterhin stur zu Boden sah und schwieg.
Als niemand sonst etwas sagte, bückte sie sich und wollte das traurige Bündel vom Boden aufheben. Endlich sollte das getan werden, was Carlotta und Mathias nicht hatten zu Ende bringen können: das armselige Stück Mensch im Wald tief in der Erde verscharren. Erleichtert schickten sich die
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