Hexengold
beiden Halbwüchsigen an, ihr zum Waldsaum vorauszugehen.
»Nein!«, schrie Pohlmann und stürzte auf Magdalena zu. Wütend entriss er ihr das Leinen, hielt sie dabei jedoch am Handgelenk fest. »Hanna hat recht! Das ist Hexenwerk, was Ihr da treibt. Meine Frau war nicht guter Hoffnung. Ich als ihr Ehemann sollte das wohl am besten wissen. Ihr habt ihr das erst angehext, genau wie Ihr letztens versucht habt, den armen Helmbrecht in Eure Gewalt zu bringen. Gottlob war seine Christenseele zu stark für Euch. Auch über meine arme Frau breitet der Schutzengel seine Flügel aus. Wen von uns aber wählt Ihr als nächstes Opfer? Wird er oder sie die Kraft haben, sich Euch zu widersetzen?«
Er stieß sie von sich und sah einen nach dem anderen aus der entsetzten Reisegesellschaft an. Die Männer wichen zurück. Helmbrecht zauderte, sah erst zu Magdalena, dann zu Adelaide und Pohlmann. Gerade wollte er ansetzen, etwas zu sagen, da kam Pohlmann ihm zuvor und verkündete in beschwörendem Tonfall: »Vergesst nicht: Ein drittes Mal wird es kein Entrinnen geben! Dann wird es der Hexe gelingen, ihre bösen Kräfte triumphieren zu lassen. Gott steh der armen Seele bei, die es dann trifft!«
»Das ist nicht Euer Ernst.« Magdalena klang leise und verzagt. Pohlmanns wüste Anschuldigungen erschütterten sie zutiefst. Unter normalen Gegebenheiten hätte sie besser damit umgehen können. Doch die letzten Stunden an der Seite der jungen Gebärenden hatten sie viel Kraft gekostet. Die schwüle Nachtluft tat ein Übriges. Jäh fuhr ihr ein fürchterlicher Schmerz durch den Kopf. Sie hob die Hände und presste sie gegen die Schläfen. Das brachte ein wenig Linderung. Rasch atmend zwang sie sich, ihre Kräfte zu bündeln. Beistand erbittend, sah sie zu Helmbrecht. »Warum sagt Ihr nichts? Immerhin habe ich letztens viele Stunden an Eurer Seite gewacht und Euch geholfen, als es nötig war. Oder glaubt Ihr etwa auch, ich bemächtigte mich dunkler Mächte, Euch alle zu bezwingen?«
Einen Moment versanken ihre Augen ineinander. Im fahlen Mondlicht entdeckte sie wieder die dunklen Sprenkel, die Helmbrechts Bernsteinaugen wie schwarze Einschlüsse zierten. Fasziniert konzentrierte sie sich darauf, umfasste mit der Hand den Stein um ihren Hals und erhoffte sich von beidem die notwendige Kraft, die drohende Gefahr zu überstehen.
»Warum fragt ihr nicht mich, was sie mit mir gemacht hat?« Einem Gespenst gleich tauchte die zerbrechliche Gestalt der jungen Pohlmännin aus dem Wagen auf. Die Arme weit vorgestreckt, die zarten Umrisse ihres Körpers nur notdürftig von dem dünnen Leinenhemd umhüllt, schwankte sie auf die Gruppe zu. Ein Stein brachte sie ins Stolpern. Mit einem Aufschrei fiel sie nach vorn. Mit letzter Kraft sprang Magdalena zu ihr und fing sie kurz vor dem Aufprall ab. Gemeinsam sanken die beiden Frauen ineinander verschlungen zu Boden.
Wie von Sinnen kreischte die alte Pohlmännin auf, Hanna stimmte jaulend mit ein, und auch Pohlmann selbst beherrschte sich nicht lange. Sein Gesicht färbte sich puterrot, dick schwollen die Adern an den Schläfen an, die farblosen Augen wölbten sich weit aus den Höhlen heraus.
»Lasst sie los!«
»Finger weg von meiner Frau!«
»Zum Teufel mit Euch!«
»Schert Euch fort!«
Ein wildes Getümmel entstand. Magdalena gelang es kaum, die einzelnen Hände und Arme, die sich ihrer bemächtigen wollten, abzuwehren. Endlich gab sie auf und ließ die junge Frau so sanft wie möglich zu Boden gleiten. Im nächsten Moment schon wurde sie beiseitegezerrt. Die alte Pohlmännin und Hanna rissen die junge Frau hoch und schleppten sie mit Hilfe ihres Gemahls wieder zurück in den Wagen.
Um Magdalena kümmerte sich niemand. Erschöpft richtete sie sich auf und sah sich um. Carlotta und Mathias waren verschwunden, die beiden Leinenbündel glücklicherweise auch. Die Fuhrleute und Wachleute blickten betreten beiseite, bis Helmbrechts Kutscher ihnen winkte, mit ihm zum Lagerfeuer hinüberzugehen.
Müde drehte sich Magdalena zu Helmbrecht um. Adelaide trat dazwischen und versperrte ihr die Sicht. Mit dem Rücken zu ihr baute sie sich vor ihm auf und redete leise auf ihn ein. Magdalena stellte sich trotzig dazu. Willfährig nickte er zu jedem einzelnen von Adelaides Worten. Als die Base ihre Nähe bemerkte, verstummte sie.
»Haltet Ihr mich etwa auch für eine Hexe?« Herausfordernd sah Magdalena Helmbrecht an und suchte mit ihren Augen abermals die seinen. Der dunkle Bernsteinglanz schien gänzlich
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