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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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gar in die Hände bekommen. Zu sehr spielte der Anblick ihren furchtbaren Verdächtigungen in die Hände. Das, was sich die junge Frau unter größten Qualen aus dem Leib gepresst hatte, erinnerte kaum an ein menschliches Wesen. Dabei war Magdalena sicher, dass es bereits seit Beginn des letzten Winters in ihrem Leib herangereift sein musste. Seltsam, dass sie es dem Gatten wie der Schwiegermutter gleichermaßen verheimlicht hatte.
    »Ist es vorbei?«, fragte die junge Frau und fasste dankbar nach dem Wasserschlauch, den Magdalena ihr an die Lippen setzte. Sie trank gierig und in hastigen Schlucken. Mehrmals hieß Magdalena sie innehalten, hatte aber wenig Erfolg mit den Ermahnungen. Das kühle Nass rann der jungen Frau beidseits des Mundes in glänzenden Linien über das Kinn.
    »Ja«, antwortete Magdalena, als sie doch endlich aufhörte zu trinken, und strich der Ärmsten über den dünn gewordenen Bauch. »War es Euer Erstes?«
    »Nein«, hauchte die junge Frau zu ihrer Überraschung. Ruckartig setzte sie sich auf, stützte sich mit den Ellbogen nach hinten ab und sah Magdalena seltsam klar an. »Es war weder mein Erstes noch eins, das ich je gewollt habe. Ich will keine Kinder, niemals!«
    So schön gewählt ihre Worte waren, kamen sie doch eigenartig abgesetzt und stockend über die farblosen Lippen. Zunächst dachte Magdalena, es rührte von der großen Anstrengung, die hinter der zarten Frau lag. Allmählich aber begann sie zu begreifen. Schon einmal hatte sie jemanden in dieser abgehackten, etwas harten Weise sprechen gehört. Aus dichtem Nebel stieg ein lang verdrängtes Bild in ihr auf. Es tat unendlich weh, sich darauf zu besinnen. Zu viele furchtbare Erlebnisse waren damit verbunden. Christian Englund, der schwedische Hauptmann, der ihren Wundarztgefährten Rupprecht und sie gegen Ende des Großen Krieges in einem Kloster bei Würzburg gefangen gehalten hatte, hatte so geredet. Erstaunt musterte sie das blasse Gesicht der jungen Pohlmännin. Zum ersten Mal nahm sie das auffallend strohblonde Haar und den hellen Ton der Haut bewusst wahr. Darin ähnelte sie Englund. Und auch ein klein wenig Eric. Mühsam schluckte Magdalena.
    Noch bevor sie dazu kam, eine Formulierung zu finden, wie sie die Frau nach ihrer Herkunft befragen konnte, sprach die bereits weiter: »Ich bin nicht traurig, dass es wieder nichts geworden ist mit dem Kind.« Sie sank auf den Boden zurück und starrte mit offenen Augen gegen die Leinwand. »Ich will keine Kinder!«, wiederholte sie noch einmal trotzig. »Aber es ist wohl das Schicksal von uns Frauen, Jahr für Jahr ein Kind in uns zu tragen.« Sie fasste nach Magdalenas Hand. »Ihr habt nur eins, noch dazu so ein gescheites. Wie habt Ihr das geschafft? Wisst Ihr ein Mittel, wie mir das auch gelingt?«
    »Was?« Verwirrt sah Magdalena sie an. Viel zu langsam begriff sie, was die arme Frau von ihr wollte. »Verzweifelt nicht.« Sie feuchtete ein frisches Tuch an und tupfte ihr die Wangen. »Ihr seid noch jung. Es passiert oft, dass es am Anfang nicht so recht klappt. Wartet nur zwei, drei Jahre, dann werdet auch Ihr ein properes Kind in den Armen halten. So kommt Ihr auf den Geschmack und werdet dem ersten gern noch viele weitere folgen lassen.«
    »Oh Gott!«, entfuhr es der Frau. »Nicht! Ich will das nicht. Ich will keine Mutter sein, ich will das alles nicht immerzu erleben.« Mit jedem Wort war ihre Stimme lauter geworden, bis sie den letzten Satz fast wie von Sinnen schrie. Schmerzhaft gruben sich ihre Fingernägel in Magdalenas Arm. Flüsternd bat sie: »Ihr müsst mir helfen, bitte! Gebt mir ein Mittel, damit ich nicht mehr empfangen kann. Oder verratet mir, was ich tun muss, damit meinem Mann die Kraft zu zeugen schwindet.«
    »Scht!« Beschwörend legte Magdalena den Finger auf die Lippen. Die Verzweiflung der jungen Frau rührte sie. Die Angst vor dem Gebären war ihr deutlich anzusehen. Keine Frage: Es war schrecklich, ein Kind zu verlieren oder gar eine missgebildete Frucht wie diese aus sich herauszupressen. Allzu oft hatte Magdalena das am eigenen Leib erlebt. Im Vergleich aber zu dem, was Helmbrechts Schwägerin vor einigen Wochen mit dem verkehrt herum liegenden Kind an Qualen durchlitten hatte, war es kaum der Rede wert. Sie biss sich auf die Lippen, um das nicht laut zu sagen.
    »Beruhigt Euch, das ist nur der Schmerz über das gerade Erlebte«, setzte sie nach einer Weile an. »In wenigen Monaten werdet Ihr wieder guter Hoffnung sein und Euch auf das Kind freuen.

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