Hexengold
daraus entwichen. Als fühlte er das selbst, schlug er die Augen nieder.
»Ist Euch meine Behandlung letztens so schlecht bekommen?«, hakte sie nach. Statt eine Antwort zu geben, wandte er sich ab. Sie schnaufte entrüstet. Ehringer fiel ihr ein, seine warnenden Worte damals in Leipzig. Nie hätte sie gedacht, wie recht er mit seinen Befürchtungen haben sollte. Der törichte Hexenglaube war ihr weitaus näher gerückt, als sie sich je hätte vorstellen können. Dabei hatte Ehringer ihr ausgerechnet Helmbrecht als einen der wenigen geschildert, der sich von solchen Dingen nicht beeinflussen ließ. Kaum vorstellbar, dass sich der gute Frankfurter Weinhändler derart getäuscht haben sollte. Noch einmal äugte sie auf den narbengesichtigen Mann. So ruhig er auf den ersten Blick wirkte, war ihm anzusehen, welch heftiger Kampf in seinem Innern tobte. Unstet rasten die schwarzen Pupillen hin und her. Fest biss er die blutleeren Lippen aufeinander.
Auf den Ausgang des Kampfes aber konnte sie nicht länger warten. Ohnehin hatte sie ihm schon genug Zeit eingeräumt, die er nutzlos hatte verstreichen lassen. Also wandte sie sich noch einmal an Adelaide. »Warum?«, fragte sie nur.
»Was fragst du?« Die Base stemmte die Hände in die Hüften. Wie so oft reckte sie die Nase nach oben und schürzte die roten, vollen Lippen.
»Weil gerade du wissen solltest, wie gefährlich dieses Spiel ist. Denk an deine Familie, an das Kästchen auf dem Dachboden in der Fahrgasse. Oder muss ich dir erst dein Muttermal auf dem Rücken in Erinnerung rufen, bis du bereit bist zu verstehen?«
»Was willst du damit sagen?« Als gelte es, einen körperlichen Angriff abzuwehren, verschränkte Adelaide die Arme vor der Brust und machte zwei Schritte nach hinten. »Tut mir leid, meine Liebe, aber ich habe nicht die geringste Ahnung, worauf du mit deinen Andeutungen hinauswillst. Für törichte Ratespiele aber ist mir die Sache viel zu ernst.«
Magdalena zögerte. Helmbrecht würde mit anhören, was sie der Base sagte. Trotz der Gefahr wollte sie Adelaides Geheimnis nicht vor ihm preisgeben. Andererseits ließ Adelaide ihr keine Wahl. Sie musste das Kind beim Namen nennen.
Die alte Pohlmännin kam zurück und fragte Adelaide: »Seid Ihr schon weiter? Hat Eure Base endlich erzählt, was sie vorhin mit meiner armen Schwiegertochter angestellt hat?«
»Nein.« Adelaides Stimme zitterte leicht. Nach einem argwöhnischen Blick auf Magdalena gab sie sich einen Ruck und erklärte laut: »Ich denke, darauf können wir auch gut verzichten. Die Ereignisse der letzten Zeit sprechen für sich. Erinnert Euch an Helmbrechts Zusammenbruch. Die ganze Nacht hindurch hat sie allein bei ihm in der Dachkammer gewacht. Wisst Ihr noch, in welchem Zustand wir sie und den armen Mann am nächsten Tag angetroffen haben?«
Sie bedachte die alte Kaufmannswitwe mit einem vielsagenden Blick, stemmte die Hände wieder in die Hüfte und fuhr nach einer bedeutungsschweren Pause fort: »Neben dem Bett fand ich übrigens einen Becher mit äußerst merkwürdigem Inhalt. Leider konnte ich ihn nicht genauer untersuchen. Magdalena hat ihn rechtzeitig umgestoßen. Dennoch bin ich mir sicher, dass sie dem wehrlosen Helmbrecht ihre teuflischen Tropfen eingeflößt hat. Der Geruch war eindeutig. Aus keinem anderen Grund hat sie Euch vorhin so schnell aus dem Wagen gejagt. Der Kräutertrunk, mit dem sie Eure Schwiegertochter betäubt hat, hat eben noch kräftig gedampft. So konnte ich daran riechen. Glaubt mir: Es handelt sich um dasselbe Zaubermittel wie damals bei Helmbrecht.«
Wieder hielt sie inne und betrachtete ihr Gegenüber. Der alten Kaufmannswitwe fehlten die Worte. Zufrieden über das Erreichte fuhr Adelaide fort: »Übrigens wurde ich unlängst in Leipzig schon einmal Zeuge eines ähnlichen Vorkommnisses. Wie Ihr Euch erinnert, lag Helmbrechts Schwägerin kurz vor unserer Abreise ebenfalls in recht unerquicklichen Kindsnöten. Damals hat Magdalena ihren Zauber zum Guten angewandt. Mutter und Kind galt es zu retten, um auf diese Weise die Gunst unseres verehrten Freundes zu gewinnen und sich ihm und uns allen gegenüber ins rechte Licht zu setzen. Am eigenen Leib habe ich bei der Gelegenheit erfahren, wie betörend die geheimnisvollen Kräuter wirken. Glaubt mir: Niemand bringt Kraft genug auf, sich dem Rausch zu entziehen. Willenlos ist man dem ausgesetzt, was Magdalena für einen bestimmt hat.« Tief schöpfte sie nach Luft, sah dabei von der alten Kaufmannswitwe zu
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