Hexengold
Helmbrecht und wieder zurück. Der Wirkung ihrer Erzählung konnte sie sich längst gewiss sein. Triumphierend warf sie Magdalena einen letzten Blick zu. »Falls Euch das alles nicht reicht, dann geduldet Euch einen Moment. Ich hole die Kiste, die Magdalena so gewissenhaft bewacht. Darin werden wir nicht nur die besagten Kräuter, sondern noch ein gutes Dutzend mehr der seltsamsten Tinkturen finden. Und bis dahin«, sie legte eine bedeutungsvolle Pause ein, »schaut Euch doch das Hexengold an, das sie stets um ihren Hals trägt.« Sie nickte Richtung Magdalena.
»Mach dir keine Umstände.« Mühsam zwang sich Magdalena, ruhig zu bleiben. Die Finger, die den Bernstein um ihren Hals umklammerten, verkrampften. Ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken. Es nutzte nichts, sich lauthals über die haarsträubenden Behauptungen Adelaides zu empören. Nur mit Bedacht konnte sie der Base etwas entgegensetzen. »Dieser Bernstein hier ist lediglich ein Talisman, den mein Gemahl mir einst geschenkt hat. Und die Kiste, liebe Adelaide, kannst du lassen, wo sie ist.« Noch einmal zögerte sie, den letzten Trumpf tatsächlich auszuspielen. Es schien ihr nach wie vor schäbig, Adelaides Geheimnis zu verraten. Andererseits blieb ihr keine Wahl. Sie musste Gleiches mit Gleichem vergelten. »Statt in meinen Sachen herumzuwühlen, solltest du der guten Frau Pohlmann lieber von deiner eigenen Kindheit in einem Bamberger Apothekerhaus erzählen. Es wird sie überraschen, wie gut gerade du dich mit Heilmitteln und Kräutern auskennst, von sinnenbetäubenden Drogen ganz zu schweigen. Deine Familie wurde deswegen …«
»Halt den Mund, du elende Söldnertochter!« Adelaide versetzte ihr eine schallende Ohrfeige.
Dabei wäre es nicht geblieben, wenn die alte Pohlmännin nicht ganz anders als erwartet auf die Enthüllung reagiert hätte. Entschlossen zerrte sie Adelaide von Magdalena weg. »Eine Apothekertochter seid Ihr also? Sicher habt Ihr einiges von Euren Eltern gelernt. Dann könnt Ihr doch meiner armen Schwiegertochter helfen. Was steht Ihr noch hier herum? Kommt mit und seht sie Euch an!«
Sie schob Adelaide in Richtung ihres Wagens und redete unaufhaltsam auf sie ein. Nichts war mehr zu spüren von der Missbilligung, die Adelaide mit dem aufreizenden Bad im Spreewalder Gasthaus bei ihr geweckt hatte. »Wie gut, dass Ihr noch rechtzeitig den Hexereien der Grohnert auf die Schliche gekommen seid. Wenn Ihr die Zaubermittel kennt, die sie verwendet hat, werdet Ihr gewiss auch ein Gegenmittel wissen, meine arme Schwiegertochter aus dem Unheil herauszureißen. Bitte, liebe Steinackerin, habt Erbarmen und helft uns, bevor es zu spät ist! Wer weiß, was die verruchte Frau da hinten noch alles im Schilde führt.«
»Lächerlich!« Die beiden Frauen schenkten Magdalena trotz des Ausrufs keinerlei Beachtung mehr. Hilflosigkeit überfiel sie. Ausgerechnet ihr verzweifelter Versuch, Adelaides dunkle Herkunft zu offenbaren, hatte alles noch schlimmer gemacht. Tränen traten ihr in die Augen.
»Was ist mit Euch?« Noch einmal versuchte sie, Helmbrecht zu einer Äußerung zu bewegen. »Haltet Ihr mich auch für eine böse Zauberin?«
Als er sich weiterhin nicht rührte und keinerlei Anstalten erkennen ließ, ihr die erflehte Unterstützung auf andere Weise zu signalisieren, gab sie auf. Es war nicht das erste Mal in den letzten Wochen, dass sie Adelaide den Sieg einräumen musste. Doch diesmal hatte das weitreichende Folgen.
»Was habt Ihr nun vor? Mich auf der Stelle als Hexe zu verbrennen?« Herausfordernd rief sie das der alten Pohlmännin nach, die gerade mit Adelaide ihren Wagen erreicht hatte. Entsetzt fuhr die Alte herum. Die farblosen Augen weit aufgerissen, starrte sie zu ihr herüber.
»Darüber habt Ihr wohl noch nicht nachgedacht, was?« Mit jedem Wort steigerte sich Magdalena in ihre Wut hinein. »Dabei drängt die Zeit. Wer weiß, wann ich das nächste Mal zuschlage. Bringt Ihr noch so viel Christlichkeit auf, mich wenigstens bis zur nächsten Pfarrstelle mitzuschleppen und dort anzuklagen? Spart Euch die Mühe. Die nächste Stadt ist Thorn. Dort aber hat man angesichts der Schweden in der Stadt andere Sorgen, als Hexen zu verbrennen. Guter Rat ist also teuer. So schnell werdet Ihr keinen Pfarrer oder sonstigen Richter finden, der mir den Prozess macht.«
Die Kaufmannswitwe wurde noch blasser, Adelaide wirkte ratlos.
»Ich mache Euch einen Vorschlag im Guten: Lasst meine Tochter und mich gehen. Wir packen unsere
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