Hexengold
Fehler, zu schweigen.«
»Die Erkenntnis kommt ein wenig spät, meint Ihr nicht?« Wütend befreite sie sich aus seinem Griff.
Helmbrecht nickte. Die Verlegenheit stand ihm ins Gesicht geschrieben. Die Narben auf den Wangen gruben sich umso tiefer in die Haut ein, die Nase ragte weit aus dem Gesicht hervor. Sein Anblick rührte Magdalena. Dann aber rief sie sich sein enttäuschendes Verhalten wieder ins Gedächtnis. Mitleid hatte er wahrlich keines verdient, Anflüge von Zuneigung schon gar nicht.
»Ihr seht mich zutiefst erschüttert, Verehrteste. Dennoch bitte ich Euch, mich anzuhören.«
So dicht am Waldrand tauchte das fahle Mondlicht alles in ein seltsames Grau. Das hob die besondere Farbe seiner Augen noch stärker hervor. Resigniert seufzte sie. »Macht es kurz. Haltet Euch wenigstens an diese Zusage.«
Trotz des leisen Tadels wich die Anspannung auf seinem Antlitz. Seine Stimme klang dunkler und voller. »Auch wenn Ihr vorhin einen anderen Eindruck gewonnen habt, fällt es mir nicht leicht, Euch allein ziehen zu lassen. Das wisst Ihr. Mir sind jedoch die Hände gebunden. Erinnert Euch an unsere Unterredung in Leipzig. Ihr kennt meine Mission. So kurz vor Thorn kann ich die Gruppe nicht auseinanderbrechen lassen. Ich muss Pohlmann und seine Damen sicher durch das Kriegsgebiet führen und außerdem unbedingt in Thorn mit jemand Bestimmtem sprechen.« Magdalena wollte etwas einwenden, er aber hieß sie mitten im Luftholen innehalten und fuhr nach einem Blick auf Carlotta rasch fort: »Etwa zwei Stunden von hier Richtung Thorn stoßt Ihr rechter Hand des Wegs auf ein Gehöft. Es liegt zwar etwas versteckt im Wald, mitten in einer kleinen Kuhle, doch Ihr könnte es nicht verfehlen, wenn Ihr wisst, worauf Ihr achten müsst: Wenige Schritte zuvor zweigt nach links ein Weg ab. Ein rot gestrichenes Wegkreuz weist darauf hin. Ihm gegenüber steht eine Buche, die ebenfalls mit einem in Augenhöhe eingeritzten roten Kreuz markiert ist. Wenn Ihr von dort den Blick nach rechts schweifen lasst, werdet Ihr besagte Kuhle und Gehöft finden. Pocht dreimal lang und zweimal kurz an die Tür, dann wird man Euch öffnen. Wenn Ihr meinen Namen nennt, wird man Euch für die Nacht aufnehmen. Morgen früh könnt Ihr von dort aus auf der alten Kaufmannsroute weiterreiten, und am Abend schon gelangt Ihr ans westliche Ufer der Weichsel. Die Brücke hinüber in die Stadt ist nach wie vor intakt. Niemand wird Euch aufhalten. Sobald Ihr Thorn nordwärts passiert habt, seid Ihr in Sicherheit. Haltet Euch Richtung Kulmsee und Kulm. Über Graudenz und Marienwerder gelangt Ihr auf sicherem Weg weiter hinauf bis Marienburg. Von dort zieht Ihr entlang des Nogat auf Elbing zu.«
»Ist das nicht der Weg, den auch die Heerestruppen beider Lager einschlagen, wenn sie sich aus Thorn zurückziehen oder Nachschub von Danzig her anfordern?« Misstrauisch hatte Magdalena seinen Worten gelauscht. »Die Straßen abseits dieser Route sind dank der Marodeure und Wegelagerer noch gefährlicher, also bleibt wohl kaum eine andere Möglichkeit. Die vielen Kriegsparteien verschiedener Couleur werden es mir auch nicht einfach machen, heil nach Königsberg zu kommen.«
»Es gibt etwas, was es Euch erleichtern wird. Hier, diese Schreiben von mir werden Euch helfen.« Damit streckte er ihr ein sorgsam verschnürtes Paket Schriftstücke entgegen. »Wenn Ihr sie zeigt, werden sie Euch passieren lassen, sowohl die Schweden als auch die Polen und ihre Verbündeten.«
»Was steht darin?« Sie schickte sich an, das Lederband zu lösen. Er legte seine Hand auf die ihre und hieß sie, innezuhalten.
»Vertraut mir. Damit habt Ihr nicht das Geringste zu befürchten. Zudem werden Euch Eure Klugheit und Umsicht beschützen. Ich weiß, dass Ihr heil nach Königsberg kommen werdet, sonst würde ich Euch nicht ziehen lassen. Nehmt mein Pferd sowie diese Schreiben. Mehr kann ich derzeit nicht für Euch tun, doch es wird reichen. Glaubt mir.«
Das dunkle Gold seiner Bernsteinaugen blitzte im fahlen Mondlicht. Eindringlich sah er sie an. Seine Hände zitterten, als er ihr die Zügel entgegenstreckte. Sie zögerte, danach zu greifen. »Bitte!«, flehte er mit heiserer Stimme. »Ihr müsst mir vertrauen!«
Unwillkürlich sträubte sie sich. Carlotta versetzte ihr einen leichten Schubs von hinten.
»Also gut«, presste sie zwischen den Lippen hervor. »Aber erwartet keinen Dank von mir.«
Ehe sie es sich anders überlegen konnte, zurrte Carlotta die beiden Decken am Sattel
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