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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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beiseite. Er versetzte ihr mehrere Ohrfeigen, ließ dann aber plötzlich ab, weil er offenbar aus lauter Freude am Schlagen zu früh die Beherrschung verlor. Die Umstehenden brüllten vor Lachen. Verärgert drehte er sich weg. Ein dritter kam, hielt sie an seiner statt am Oberkörper fest. Offenbar erhoffte er sich so, schneller an ihrem Unterleib an die Reihe zu kommen. Immer mehr Männer sammelten sich im Kreis um sie. Geifernd vor Lust klatschten sie in die Hände und feuerten denjenigen zwischen ihren Beinen an. Sie nahm nur mehr dreckstrotzende Stiefelschäfte, sabbernde, weit aufgerissene Münder und verzerrte Fratzen wahr. Kein Zweifel: Das waren Tiere, keine Menschen!
    Das Martyrium wollte kein Ende nehmen. Sobald sich der eine stöhnend aufbäumte, riss ihn der nächste bereits ungeduldig fort und warf sich ebenfalls auf sie. Nach dem vierten hörte Adelaide zu zählen auf. Die Schmerzen in ihrem Unterleib wurden unerträglich. Es zerriss sie förmlich von innen heraus. Mehrfach zwang die Übelkeit sie, sich aufzubäumen und sich seitwärts zu übergeben. Das störte die Wüstlinge in ihrem bestialischen Treiben nicht im Geringsten. Endlich gab sie es auf, sich zu wehren, und verlor die Besinnung. Das war ihre Rettung.
    Stille herrschte im Lager, als sie die Augen wieder aufschlug. Der Morgen dämmerte bereits. Ein heller Streifen Licht schälte sich unschuldig am Horizont heraus. Ungläubig blinzelte sie in die Helligkeit. Ihre Augen brannten. Das weckte den Schmerz in ihrem Leib. Bitter stieg Galle in ihr auf. Sie schrie auf, krümmte sich im nächsten Moment und übergab sich, bis sie schier gar nichts mehr in sich hatte. Endlich ging es ein wenig besser. Vorsichtig richtete sie sich zum Sitzen auf, stützte sich mit den Händen ab. Die Erde war eiskalt. Sie begann zu frösteln und schlang die Arme eng um den Leib, rieb sich die Oberarme. Die Kleider hingen in Fetzen an ihr herab. Notdürftig raffte sie sie ein wenig zusammen.
    Ihr bot sich ein Bild der Zerstörung: Die Wagen lagen zur Seite gekippt, Kisten, Fässer und Säcke, oder vielmehr das, was die Marodeure davon übrig gelassen hatten, fanden sich aufgestemmt oder aufgeschlitzt dazwischen. Die Zugochsen und Pferde hatten sie mitgenommen, Waffen, Messer und Munition ebenfalls. Wo aber steckten die Fuhrleute und Wachmänner, Pohlmann, Helmbrecht und ihr Sohn? Die anderen Frauen? Schreckliche Angst überfiel Adelaide. War sie die Einzige, die überlebt hatte?
    »Mathias!«, kreischte sie wie von Sinnen. Erschrocken schlug sie die Hand vor den Mund. Die Räuber mussten sie für tot gehalten haben, sonst hätten sie sie nicht liegen lassen. Ob noch einer von ihnen in der Nähe war und sie beobachtete?
    Furchtsam glitt ihr Blick umher. Nichts rührte sich. Aufgeregt brummten lediglich die unzähligen Insekten durch die Luft. So früh am Tag verhieß das nichts Gutes. Sie zwang sich zu warten, zählte in Gedanken bis hundert. Und noch einmal bis hundert. Als auch dann nichts geschah, atmete sie auf. Sie konnte aufstehen und nach ihrem Kind suchen.
    Mühsam gelangte sie in die Senkrechte. Jede Bewegung kostete sie unendlich viel Kraft und verursachte unerträgliche Schmerzen. An Armen und Beinen zeigten sich die Spuren der Misshandlung. Sie zitterte vor Anstrengung, sich im Stehen zu halten. Noch wusste sie nicht, ob sie sich jemals von der Stelle bewegen konnte. Viel schlimmer aber war, nicht zu wissen, wo Mathias war. Zögernd versuchte sie die ersten Schritte. Es gelang ihr, einen Fuß vor den anderen zu setzen, das Beben ihres Körpers zu überwinden. Sie suchte sich ein nahes Ziel: einen Stein drei Schritte von ihr entfernt. Sie erreichte ihn schneller, als sie erwartet hatte. Vor Freude stiegen ihr Tränen in die Augen. Lächerlich, wegen einer solchen Kleinigkeit zu weinen! Hastig wischte sie sich über die Wangen und hielt nach dem nächsten Ziel Ausschau. Ein halb umgerissener Strauch rückte in ihr Blickfeld. Auch zu ihm gelangte sie bald. Zufrieden atmete sie durch. Nach einem weiteren Stück Wegs ging es bereits viel besser. Das Zittern ließ nach, die Kraft kehrte zurück. Sie hob den Kopf noch ein Stück höher und erstarrte.
    Nicht weit entfernt lag der erste Tote.
    Adelaide blieb wie angewurzelt stehen. Das Zittern war sofort wieder da. Die Knie wurden weich, sie drohte umzufallen. Nur das nicht! Sie schloss die Augen, zählte im Stillen wieder bis hundert und besann sich auf ihre Stärke. Sie würde es schaffen. Es war nur eine weitere

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