Hexengold
diese zögerte zu Carlottas Verwunderung, die Hand zu ergreifen. Ihre Mutter tat, als wäre nichts geschehen, nickte der Frau zum Abschied zu und schickte sich an, die empfohlene Richtung einzuschlagen. Carlotta folgte ihr.
Der Hundegatt glich dem Frankfurter Mainufer. Auch hier ankerten viele Frachtkähne, Fischerboote und Flussschiffe. Carlotta genoss die Weite des Platzes. Trotz der vielerorts aufgestapelten Waren, Hölzer, Fässer und Säcke, der mannigfaltigen Speicher und der vielen Menschen, die dazwischen ihre Arbeit verrichteten, empfand sie die Gegend als weniger eng als die Straßen und Gassen der Stadt. Der typische Hafengeruch nach brackigem Wasser, Fisch, Wein, Gewürzen und Schweiß der Ladearbeiter war in der Hitze jedoch nicht lange zu ertragen. So war sie froh, bald den Kran und nicht weit davon das von der jungen Frau bezeichnete Wirtshaus zu entdecken.
Schon von außen war dem schmalen Fachwerkhaus anzusehen, wie eng und düster die Schankstube sein würde. Bevor sie eintraten, atmete Carlotta noch einmal tief durch, dann folgte sie ihrer Mutter. Zu ihrer Überraschung brauchte die nicht lange, um zu finden, was sie suchte: In der hinteren Ecke saßen die gesuchten drei Kaufleute aus Frankfurt!
»Da haben wir aber großes Glück«, flüsterte Magdalena und eilte sofort zu dem Tisch hinüber.
Mitten am Vormittag waren noch nicht viele Gäste in dem Krug. Die einfachen Arbeiter gingen ihrer Tätigkeit beim Be- und Entladen der Schiffe und in den Lagern nach, die Kaufleute sammelten sich an der Börse. So nahm es nicht wunder, die drei allein an dem Tisch anzutreffen.
»Seid gegrüßt, meine Herren«, rief Magdalena und nutzte den Moment der Überraschung zu ihrem Vorteil, sich direkt am Tisch aufzubauen, so dass kein Entkommen war. Der glatzköpfige Diehl riss den Mund auf, dass die Zahnlücken darin trotz des fahlen Lichts in der Stube aufblitzten. Feuchtgruber fuhr sich mit der Hand an den weißen Bart, und Diehl richtete sich auf und starrte sie an wie eine Erscheinung.
»Offenbar hat keiner von Euch damit gerechnet, mich hier zu treffen. Ihr gestattet«, sie rückte sich einen Stuhl am Tisch zurecht. Daraufhin sprang Imhof auf und schickte sich an, ihr behilflich zu sein. Anschließend kümmerte er sich um eine Sitzgelegenheit für Carlotta.
Feuchtgruber fand als Erster die Sprache wieder. »In der Tat, verehrte Frau Grohnert, findet Ihr uns äußerst überrascht. Hier in Königsberg haben wir Euch am allerwenigsten erwartet.«
»Wo denn dann? Nach Venedig wolltet Ihr dieses Jahr doch gar nicht.« Das Lächeln auf dem Gesicht ihrer Mutter wurde breiter. Carlotta kannte sie gut genug, um zu wissen, was sich dahinter verbarg. Das kaum wahrnehmbare Zittern ihrer Stimme sowie die Finger, die zu ihrem Mieder fuhren und über den Stoff auf der Brust strichen, zeigten ebenfalls, wie aufgewühlt sie war. Die betonte Freundlichkeit war eher Ausdruck großer Wut. Gleich würde sie spitze Bemerkungen fallen lassen, die aus ihrer Verachtung keinen Hehl machen würden.
Diehl indes verstand das Lächeln als Ermunterung. »Ihr seid einfach eine Frau, mit der man immer und überall rechnen muss, Verehrteste. Gewiss wird auch Euer verehrter Gemahl schon so manch unerwartete Überraschung mit Euch erlebt haben.«
»Wäre das Leben nicht langweilig, wenn eine Frau ihren Mann nicht mehr überraschen könnte?« Magdalena klang zuckersüß. Carlotta hielt den Atem an und betete, sie würde nicht vollends die Beherrschung verlieren. Die drei Herren waren schließlich die Einzigen, die über das Schicksal des Vaters Auskunft zu geben vermochten und im Falle eines Falles für sie bürgen konnten.
»Da Ihr gerade meinen Gemahl erwähnt habt«, fuhr Magdalena scheinbar leichthin fort. »Es überrascht mich, ihn nicht in Eurer Runde anzutreffen. Soweit ich mich erinnere, ist er derjenige, der Euch auf der Reise nach Königsberg geführt hat. Warum sitzt er nicht hier bei Euch und genießt mit Euch die Früchte Eurer offensichtlich guten Geschäftsabschlüsse?« Mit dem spitzen Kinn wies sie auf den reich gedeckten Tisch, auf dem vielerlei Sorten Fisch, Brot, Käse, Braten und Obst standen. »Eurer üppig bestückten Tafel und den Krügen mit bestem Wein entnehme ich, dass Ihr wirklich etwas zu feiern habt. Umso mehr befremdet es mich, meinen Gemahl nicht bei Euch zu sehen.«
Die Stille, die sich über die drei senkte, hatte etwas Bedrohliches. Jeder wich dem direkten Augenkontakt aus.
Nun war es also doch
Weitere Kostenlose Bücher