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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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ihrem Schatz berichtete. Sie dachte an Mathias, wie sanft und schüchtern er zuletzt gewesen war. Bestimmt hätte er ihr auch eines Tages verraten, wann die Gelegenheit für sie beide günstig war. So, wie es aussah, würde sie nie mehr von ihm erfahren, was er damit gemeint hatte. Mit klopfendem Herzen fragte sie deshalb Lina: »Fritz ist dein Bursche, nicht wahr?«, und hoffte, die würde ihr mehr dazu sagen.
    »Ja!« Stolz streckte das rundliche Mädchen den Rücken durch. »Er ist Schiffsjunge auf einem der Kähne, die nach Pillau fahren. Eines Tages nimmt er mich mit, und wir lassen uns entweder gleich dort nieder, oder wir fahren weit fort auf einer der Koggen.«
    »Und ihr heiratet und kriegt eine riesige Schar Kinder und hungert. Er beginnt zu trinken, schlägt dich und die Kinder, und am Ende darbt ihr genau wie deine Eltern«, ergänzte Carlotta unbarmherzig. Enttäuschung und Wut erfassten sie gleichermaßen. Sie sprang auf, zitterte am ganzen Körper. So recht wusste sie selbst nicht, was auf einmal mit ihr los war. Tränen traten ihr in die Augen, sie schluchzte und schniefte.
    »Woher willst du das wissen?« Lina bemühte sich, ruhig zu bleiben, und sah sie forschend an. Behutsam streckte sie ihr die Hand entgegen und zog sie wieder zu sich auf den Boden, legte den Arm um ihre Schultern und drückte sie an sich. »Du hast noch nie einen Burschen gehabt, was? Bist du neidisch?«
    »Ich? Neidisch auf dich? Wie kommst du darauf?« Empört schnappte Carlotta nach Luft und befreite sich aus Linas Griff. »Siehst du denn nicht: Es geht immer so aus, wenn Mädchen wie du sich wünschen, mit ihrem Burschen abzuhauen. Erst versprechen dir die Kerle das Blaue vom Himmel, und am Ende können sie es nicht halten und stürzen dich ins Elend. Ich verstehe nicht, wieso du das mitmachst. Dabei hast du gerade noch selbst gesagt, du wolltest weit weg von hier, egal, wohin. In Wahrheit aber reicht es dir schon, mit Fritz bis Pillau zu kommen.«
    »Und du? Was ist mit dir?« Böse funkelte Lina sie an. »Du denkst wohl, du bist was Besseres und wirst es mal weiter bringen, was? Aber wie denn? Du bist doch auch nur ein Mädchen! Und du hast noch nicht einmal einen Burschen, der auf dich wartet. Woher solltest du auch einen nehmen, wenn du jede freie Minute beim Salbenrühren oder Kräuterzupfen in der Apotheke verbringst oder deine Nase stundenlang in staubige Bücher steckst. Das tun doch nur die Studiosi und die Gelehrten, so was tut doch keine Frau! Die Wirtin sagt auch schon, mit dir und deiner Mutter stimmt was nicht. Selbst wenn ihr hundertmal die Erben von dem reichen Singeknecht seid und bald in das schöne Haus auf der anderen Seite von der Langgasse zieht, so seid ihr doch ganz seltsame Weibsbilder und passt eigentlich nicht hierher.«
    »Hau ab und lass mich in Frieden. Ich habe dich nicht gebeten, hier bei mir zu sitzen«, zischte Carlotta wütend und wandte sich ab. Wutbebend starrte sie auf den Fluss und sehnte den Moment herbei, in dem Lina endlich aufstand und davonlief.
    Diese aber blieb auf ihrem breiten Hintern sitzen und blickte ebenfalls wieder schweigend auf den Fluss. Ein-, zweimal warf sie einen Stein ins Wasser. Das Glucksen scheuchte die winzigen Fische auf.
    Nach einiger Zeit sagte sie leise: »Verzeih, ich wollte dich nicht beschimpfen. Ich bin nun mal keine feine Dame und weiß nicht, wie ich es mit dir halten soll.«
    »Schon gut«, murmelte Carlotta und wischte sich die nassen Augenwinkel.
    »Hat die Wirtin das wirklich gesagt?«, fragte sie Lina schließlich kaum hörbar.
    »Was?«
    »Dass meine Mutter und ich seltsame Leute sind und nicht hierher nach Königsberg passen.«
    »Nun ja.« Lina wand sich verlegen und wagte nicht, sie anzusehen.
    »Also doch!« Carlotta klang verzagt.
    Lina zuckte mit den Schultern. »Du kennst sie doch. Sie redet halt viel. Muss sie ja auch, um all die Gäste bei Laune zu halten.«
    »Was sagt sie denn sonst noch so über meine Mutter und mich? Und über die Singeknechts und die Grohnerts?« Carlottas Herz schlug schneller. Kaum traute sie sich, Lina in die grünblauen Augen zu sehen. Die hellen Wimpern leuchteten in der Sonne, die weißen Zähne blinkten. Das Mädchen seufzte, schob mit den Händen Steine und trockene Erde zusammen, warf den ganzen Dreck auf einmal ins Wasser. Böse schlug eine Ente mit den Flügeln, eine andere schnatterte empört.
    »Sie hat sich halt gewundert, wieso dein Vater so schnell gestorben ist«, begann Lina stockend, um dann sehr

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