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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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hastig weiterzureden. »Und dass deine Mutter ihn so ganz ohne Hilfe von einem Doktor gepflegt hat. Nicht einmal einen Bader hat sie rufen wollen, um ihn zur Ader zu lassen, hat die Wirtin gemeint. Dafür hat der Apotheker Heydrich höchstpersönlich die Arzneien vorbeigebracht. Dabei darf er das nur, wenn der Medicus oder ein anerkannter Wundarzt ihn holt.«
    »Meine Mutter ist eine anerkannte Wundärztin. Sogar die Apotheker schätzen ihr Wissen«, entgegnete Carlotta nicht ohne Stolz.
    »Kein Wunder«, entfuhr es Lina, »jetzt, wo ihr reich seid und all das viele Geld und das schöne Haus geerbt habt, wollen sie euch alle nur gut.«
    »Was soll das?« Zornentbrannt schleuderte Carlotta einen Stein in den Fluss. Knapp neben einer Ente patschte er ins Wasser. Die Wasservögel flogen auf, Federn stoben durch die Luft, Wasser schwappte ans Ufer.
    Erschrocken schlug sich Lina die Hand vor den Mund. »Ich habe nichts gesagt«, murmelte sie.
    »Schon gut.« Carlotta beruhigte sich wieder und tätschelte ihr den Arm. »Du kannst nichts für die Wirtin. Ich dachte, sie freut sich darüber, dass die Erben von Paul Singeknecht endlich gefunden sind und der Bernsteinhandel weitergeführt wird. Sie war doch so freundlich zu uns.«
    »Mit Freundlichkeit verdient sie ihr Geld«, stellte Lina klar. »Aber mach dir keine Gedanken. Sie hat halt im Stillen gehofft, das schöne Haus kaufen zu können, wenn kein Erbe auftaucht. Sie ist übrigens nicht die Einzige in der Stadt, die so denkt. Die anderen ärgern sich, weil das Armenhaus kein Geld kriegt.«
    »Und sie nun selbst dafür spenden müssen«, ergänzte Carlotta. Die Mutter hatte mit ihrer Vorhersage also recht behalten.
    »Mich wundert, warum du nicht doch mit einem Schiff weg willst von hier.« Mit einem Satz sprang Lina auf und schlug die Handflächen gegeneinander, um sie vom Schmutz zu säubern. »Was hält dich hier? Du bist nicht von hier. Dafür hast du jetzt genug Geld und kannst dahin, wo es dir gefällt.«
    »Meine Mutter will bleiben«, erwiderte Carlotta und erhob sich ebenfalls. »In Königsberg fühlt sie sich zu Hause. Ihr ganzes Leben lang ist sie herumgereist. Nun freut sie sich, endlich einen Platz gefunden zu haben, wo es ihr gefällt und sie sich wohl fühlt. Ihre Familie stammt von hier und auch die meines Vaters. Er liegt jetzt hier begraben.« Die letzten Worte brachte sie nur mehr unter Schluchzen heraus. Bei der Erinnerung an die einsame Beerdigung wurde ihr flau. Nur die Mutter und sie hatten am offenen Grab gestanden. In gehörigem Abstand erst waren die Wirtin vom Grünen Baum und Martenn Gerke von der Kaufmannsgilde zugegen gewesen. Sonst hatte niemand den Verstorbenen auf seinem letzten Gang auf Erden begleitet.
    Tröstend strich Lina ihr über den Arm.
    »Wenn mein Vater noch lebte, wäre sicher alles anders gekommen«, sagte Carlotta trotzig. Wieder glitt ihr Blick zum Fluss, versank im schimmernden Tanz der Sonnenstrahlen auf den Wellen.
    »Anders bestimmt, aber nicht unbedingt besser«, merkte Lina an. »Väter wollen doch immer nur bestimmen, was wir Töchter zu tun haben. Die fragen niemals, was wir wirklich wollen.«
    Sogleich wollte Carlotta aufs heftigste widersprechen. Sie stemmte die Hände in die Hüften, holte tief Luft – und stockte. Eigentlich lag Lina gar nicht so falsch. Die letzten Begegnungen mit dem Vater kamen ihr in den Sinn. Noch in Frankfurt hatte sich schon vieles zwischen ihnen verändert. Natürlich war er stets stolz auf seine kluge Tochter gewesen, hatte vor anderen ihre Fertigkeiten und ihre rasche Auffassungsgabe gerühmt. Wie hatte er jedoch auf einmal gezürnt, wenn er sie bei Doktor Petersen im Laboratorium wusste! Auch im Kontor hatte er sie seit Mathias’ Eintritt ins Handelshaus immer weniger sehen sollen und sie stattdessen schon morgens nach dem Aufstehen zu Hedwig in die Küche geschickt.
    »Ja, du hast recht«, stimmte sie leise zu. »Am Ende ist alles doch immer nur ein Traum, der unerfüllbar bleibt, weil die Väter über uns bestimmen.«
    »Mit deiner Mutter hast du es wohl besser getroffen.« Offenherzig sah Lina sie an. »Auch wenn sie etwas seltsam ist, lässt sie dir deine Freiheit, zu tun, was du willst. Und wenn es Lesen oder Salbenrühren ist.« Sie lachte hell auf. »Irgendein Bursche wird am Ende trotzdem kommen und dich nehmen. Schließlich kriegen reiche Töchter immer einen Mann. Da lockt schon das Geld die Freier an.«
    »Danke für deine Ehrlichkeit«, entgegnete Carlotta spitz und

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