Hexengold
vor, um die beiden auf sich aufmerksam zu machen. »Was heißt überhaupt, diese Herren haben dich aus dem Haus gejagt, Adelaide? Es ist doch allein dein Haus. Vinzent hat es dir hinterlassen.«
»Das habe ich auch geglaubt. Doch ich hätte es besser wissen müssen, dass die drei Halsabschneider sich bei der ersten Gelegenheit ihre Beute sichern werden.« Eric biss auf den Lippen herum, bis sie bluteten. »Warum hast du mir das nicht eher gesagt?«
Adelaide schwieg. Das brachte Magdalena in Rage. »So antworte doch endlich!« Heftig schlug sie mit der flachen Hand auf den Tisch, dass Teller und Löffel klirrten. »Du hast uns also angelogen, als du erzählt hast, du kommst zu uns, weil du es mit Mathias nicht mehr in der Sandgasse ausgehalten hast. Weil dich dort alles an Vinzent erinnert. Nichts davon ist also wahr. Warum hast du uns die Wahrheit verschwiegen? Reicht es nicht, dass Vinzent Haus und Hof verpfändet hat? Nur, wenn wir über alles Bescheid wissen, können wir einander beistehen. Und das sollten wir als Familie. Dazu sind Verwandte doch da.«
Wie auf Kommando senkten die beiden die Blicke. Nachdenklich betrachtete Magdalena ihren Mann und ihre Base, die ihr augenscheinlich auswichen. Niemand ist der, den man seit langem zu kennen meint, schoss ihr durch den Kopf. Ein Gedanke, den sie verdrängt hatte.
Eine bleierne Stille hing im Raum. Nach einer Weile hielt es Magdalena nicht mehr aus. »Du solltest uns auch endlich die Wahrheit sagen, Eric. In den Büchern habe ich Merkwürdiges entdeckt, das heißt, eigentlich war es Mathias, der mich darauf gebracht hat.« Sie legte eine Pause ein, Eric Gelegenheit zu bieten, sich zu äußern. Er aber wandte sich halb von ihr ab und zwang sie damit, das Ungeheuerliche vor Adelaide auszusprechen.
»Seit Anfang des Jahres gab es immer wieder Entnahmen von größeren Summen Bargeld, für die keine Ware als Gegenwert auftaucht«, erklärte sie. »Tagelang hat sich Mathias bemüht, den Fehler zu finden. Er wollte es einfach nicht glauben. So ging es mir zunächst auch. Dann aber war klar, dass der Fehler nicht in Mathias’ Rechnereien lag, sondern in den Listen selbst. Gemeinsam sind wir dem auf die Spur gekommen.«
»Wie ist das möglich?« Empört richtete Adelaide sich an Eric. »Wusste Vinzent davon?«
»Ja«, räumte Eric bereitwillig ein. »Er hat das Geld schließlich genommen.«
»Das ist der Gipfel! Jetzt, wo der Ärmste sich nicht mehr dagegen wehren kann, machst du es dir zu einfach, alles auf ihn zu schieben.« Böse blitzte Adelaide ihn an. Das Beben ihrer Nasenflügel wurde stärker.
»Es ist aber die Wahrheit.« Eric rang um Fassung. »Vinzent hat sich verspekuliert. Um das wiedergutzumachen, habe ich ihm das Geld aus dem Kontor gegeben.«
»Und das nicht nur ein Mal, sondern immer wieder«, sprang Magdalena ihm bei und drückte ihm die Hand. Sie wollte ihm zeigen, dass sie zu ihm hielt, mochte Adelaide behaupten, was sie wollte. »Vinzent hat dir erst nach und nach erzählt, dass er sich auch anderswo Geld geborgt hat, um die Schulden zu bezahlen. So sind ständig neue Löcher aufgetaucht, die es zu stopfen galt, bis er sich offensichtlich mit Haut und Haar diesen drei Herren aus Mainz ausgeliefert und seinen Besitz in der Sandgasse bei ihnen verpfändet hat. Doch davon hat er dir erst auf der Rückreise aus Italien erzählt.«
Müde nickte Eric, hob aber nicht den Kopf.
»Unglaublich! Wie könnt ihr es wagen, so etwas zu behaupten?« Adelaide sprang auf und kümmerte sich nicht darum, dass sie dabei das Tischtuch halb herunterriss. Fahrig begann sie auf und ab zu gehen. »Ihr besudelt das Andenken eines anständigen, ehrbaren Kaufmanns aus einer alten, eingesessenen Frankfurter Kaufmannsfamilie. Das hätte ich mir lange schon denken können! Wie könnt gerade ihr beide das wagen?« Ihre dunklen Augen verengten sich zu Schlitzen, der rote Mund war ebenfalls kaum mehr als eine einzige gerade Linie in ihrem zornesblassen Gesicht.
»Vinzent hat das alles nur dir zuliebe getan. Er wollte etwas Eigenes für Mathias und dich aufbauen, an unserem gemeinsamen Kontor hier in der Fahrgasse vorbei.« Langsam erhob sich Eric ebenfalls und stellte sich nah zu Adelaide. »Du hast doch immerzu darauf gedrängt, dass er nicht mehr länger an zweiter Stelle stehen, sondern etwas Eigenes schaffen solle. Erst war da der Oheim, dem er zuarbeiten musste, dann stand fest, dass er nie dessen Erbe antreten konnte, weil der Oheim sich weigerte, ihn als
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