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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Bewegung nach. Carlotta freute sich. Ihr erstes Ziel war bereits erreicht: Die schlechte Stimmung war verflogen.
    Langsam hob Eric den Deckel des Kästchens an. Zunächst waren vor allem gelbliche Strohhalme zu sehen. Vorsichtig steckte er den rechten Zeigefinger hinein und wühlte darin. Dann fasste er nach etwas und hielt mitten in der Bewegung inne. Den Finger weiter in dem Kästchen sah er mit erstaunter Miene Carlotta an. Offenbar hatte er den Gegenstand ertastet und ahnte nun, worum es sich handelte.
    »Spann uns nicht auf die Folter, Liebster!« Wieder war es Magdalena, die ihn mahnte. Er gehorchte und zog einen honiggelben Bernstein aus dem Stroh. Ein sechsbeiniges Insekt war als schwarzer, erstaunlich intakter Einschluss deutlich darin zu erkennen.
    »Oh Gott!« Magdalena schrie auf und fasste sich mit der Hand an den Hals. Carlotta ahnte, was sie tat: den eigenen Bernstein suchen. Deshalb hatte Carlotta ihrem Vater das Päckchen in die Hand gedrückt. Sie wollte nicht, dass es so aussah, als ginge es um den Bernstein der Mutter. Auf den ersten Blick sahen sich die Steine täuschend ähnlich, wie sie schon in der Schwanenapotheke mit Unbehagen festgestellt hatte.
    Als Magdalena gefunden hatte, was sie suchte, weiteten sich ihre smaragdgrünen Augen. »Das kann nicht sein!« Kopfschüttelnd zog sie sich einen Stuhl heran und ließ sich darauf nieder. Auch Eric wurde wieder ernst. Blass starrte er den Stein an, sagte aber nichts.
    »Was habt ihr denn? Das ist doch nicht der erste Bernstein, den ihr seht!« Lediglich Adelaide schien unbekümmert. Neugierig streckte sie die Finger nach dem Stein aus. Eric aber umschloss ihn mit der zweiten Hand und verbarg ihn ganz in der Faust.
    »Wie kommt Doktor Petersen an diesen Stein?« Als hätte sie soeben den Leibhaftigen gesehen, sah Magdalena ihre Tochter an.
    Carlotta antwortete mit zittriger Stimme: »Von Onkel Vinzent. Er hat ihn vor seiner Abreise im Frühjahr dem Apotheker in Zahlung gegeben. Weil das wohl mit dem Kontor zu tun hatte, wollte ich ihn Vater zurückgeben.« Auf einmal fühlte sie sich elend. Sie hatte ihnen doch nur eine Freude machen wollen! Vorsichtig ließ sie sich auf der Kante des Stuhls neben ihrer Mutter nieder und sah sie ängstlich an. »Was ist jetzt damit?«
    »Du hast den Bernstein noch nie zuvor gesehen?« Eric wandte sich an Adelaide und reichte ihr den Stein jetzt doch, damit sie ihn genauer betrachten konnte. Dabei beobachtete er sie aufmerksam.
    »Nein, ich wusste nicht, dass Vinzent so etwas besitzt.« Sie hob ihn gegen das Licht des Fensters. Kein Bläschen trübte ihn. Das Goldgelb war betörend schön. Das Insekt, das er eingeschlossen hatte, wirkte regelrecht lebendig. Ein kleines Loch wies darauf hin, dass der Stein wie Magdalenas einmal an einer Schnur befestigt gewesen war. »Dafür würde Morel ein Vermögen bieten!« Anerkennend nickte Adelaide, als sie Eric den Stein zurückgab.
    »Morel? Du meinst doch nicht etwa den Kunstsammler beim Römer, der allen Fremden stolz seine Schätze vorführt?« Mit einem Satz sprang Magdalena vom Stuhl und verzog angewidert das Gesicht. Carlotta erinnerte sich, einmal mit ihr bei diesem Herrn ein gutes Dutzend der schönsten Bernsteine bewundert zu haben. »Nie im Leben wird ihm der Stein gezeigt. Du erwähnst ihn ihm gegenüber mit keiner Silbe, versprich mir das!«
    »Warum nicht? Jetzt, da wir alle dringend Geld benötigen, ist es durchaus eine Überlegung wert, ihm den Stein anzubieten. Du besitzt doch schon einen, der diesem hier sogar recht ähnlich ist, wenn ich mich recht entsinne.«
    »Woher weißt du …«, setzte Magdalena an, doch Adelaide fuhr unbeirrt fort: »Beide anzubieten wäre sicher noch lukrativer. Man könnte Morel eine besondere Geschichte dazu erzählen. Was hältst du zum Beispiel davon, zu behaupten, dass die Bernsteine außergewöhnliche Kräfte besitzen? Wenn man sie so anschaut, könnte man glatt denken, es handele sich um Hexengold.«
    »Wie kommst du auf diesen Unsinn?« Magdalena warf Adelaide einen erschrockenen Blick zu. Carlotta konnte ihre Angst gut nachvollziehen. Seit Jahren hütete sie das Geheimnis des Glücksbringers, als hinge ihr Leben davon ab. Und nun erfuhr sie, dass Tante Adelaide längst dahintergekommen war. Noch schlimmer aber musste es für sie sein, dass es einen zweiten, ähnlichen Stein ausgerechnet in Onkel Vinzents Besitz gegeben hatte. Wie kam die Tante zudem darauf, die beiden Steine als »Hexengold« zu bezeichnen? War sie sich

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