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Hexengold

Hexengold

Titel: Hexengold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Rehn
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Erics Feder. Nichts war durchgestrichen oder überschrieben, nichts weggekratzt oder von Löschsand ausgewischt. Es bestand kein Zweifel, dass er die Zahlen flüssig und dennoch bedächtig notiert hatte. Trotzdem stimmte etwas nicht. Mathias musste ihr nicht erst sagen, was es war. Sie biss sich auf die Lippen, hob den Kopf und starrte in das Grau des Novembertags.
    »Was ist denn los?« Walther verließ sein Pult, um von der Seite einen Blick auf die Buchseiten zu erhaschen. »Vielleicht kann ich Euch helfen?«
    »Das glaube ich nicht.« Unwillkürlich klappte sie das Buch zu und presste es sich fest gegen die Brust. Plötzlich verspürte sie heftige Kopfschmerzen. Sie rieb sich die Schläfen und schloss kurz die Augen. Übelkeit stieg in ihr auf. »Ich muss mich bei dir entschuldigen, Mathias. Dich trifft wirklich keine Schuld«, wandte sie sich an den Jungen. Ihre Stimme schwand mit jeder Silbe. Sie räusperte sich und sprach heiser weiter: »Der Fehler muss bei Eric liegen. Ich kümmere mich selbst darum und werde herausfinden, was geschehen ist. Am besten, du hilfst jetzt hinten im Lager. Es wird höchste Zeit, dass die Bestandslisten der Waren im Buch mit den tatsächlich vorhandenen Mengen abgeglichen werden.«

9
    Das Mittagessen verlief in ungemütlichem Schweigen. Adelaide, Eric und Magdalena saßen allein in der Wohnstube. Da es Freitag war, hatte Hedwig ein bescheidenes Mahl bereitet und eine dicke Gerstensuppe aufgetischt.
    Wenig begeistert brockte Magdalena dunkle Brotstücke in den Teller. Die Aussicht, Eric auf die Unstimmigkeiten in den Büchern ansprechen zu müssen, verdarb ihr den Appetit. Auch Adelaide schien nicht hungrig zu sein. Das dumpfe Ticken der Uhr schenkte ihr den Takt für ein leichtes Trommeln der Finger auf dem Tischtuch. Magdalena musste sich zusammenreißen, ihr nicht verärgert auf die Finger zu schlagen.
    »Gib mir bitte noch Suppe, Liebste.« Eric legte den Löffel nieder und streckte Magdalena den leeren Teller zum Auffüllen entgegen.
    »Schmeckt es?« Froh, einen Anlass zum Reden zu haben, bemühte sie sich um einen munteren Ton. »Schön, dass dein Appetit wieder da ist. Bleib aber vorsichtig. Das viele Herumlaufen zwischen Hafen und Kontor sowie die anstrengenden Gespräche mit den anderen Kaufleuten zehren an deinen Kräften. Bei aller Freude über dein Tun solltest du weiterhin gut damit haushalten.« Sie reichte ihm die Suppe. Kurz berührten sich ihre Finger. Selbst nach all den Jahren versetzte es ihr noch einen leichten Schauder, seine Wärme zu spüren. Sie hob den Blick und suchte seine tiefgründigen blauen Augen. Wie befürchtet, wich er aus und fragte Adelaide: »Wo sind die Kinder?«
    Magdalena räusperte sich und sagte schnell, als hätte sie nicht gemerkt, dass er mit Adelaide statt mit ihr sprach: »Carlotta ist bei Doktor Petersen. Ich brauche noch einige Öle, um frische Wundsalben anzurühren. Sie wird heute Nachmittag zurück sein.«
    »Was treibt sie ständig in der Apotheke? Ist sie dort in der Lehre? Du weißt, dass ich das nicht will.« Verärgert warf er den Löffel in den Teller.
    »Lass sie doch«, schaltete sich Adelaide ein. »Es schadet nicht, wenn sie dort einige sinnvolle Dinge lernt. Meist hütet sie die Kleinen, wie mir die Petersen erzählt hat. Das gehört sich für ein Mädchen ihres Alters. Deine Angst, dass sie bei dem Doktor in die Lehre geht, ist also völlig unbegründet.« Sie schmunzelte. Magdalena nickte ihr dankbar zu. Immer wieder gelang es ihrer Base, sie angenehm zu überraschen.
    »Und wo steckt Mathias?«, fragte Eric barsch. »Geht er vielleicht wieder in die Lateinschule, statt unten im Kontor zu arbeiten? Anscheinend fühlt sich keiner von euch verpflichtet, mir zu sagen, was in meinem eigenen Haus vor sich geht.«
    »Du teilst uns auch nicht mit, was im Kontor vorgeht.« Noch ehe Magdalena es recht bedacht hatte, waren ihr die Sätze entschlüpft.
    Eisiges Schweigen war die erste Reaktion. Draußen in der Diele erklang Geschrei. »Potz Blitz, ihr faulen Hundsfotte!« Hermann schien weiterhin höchst unzufrieden mit dem Tempo der Ablader.
    »Mathias isst mit dem Gesinde unten in der Küche«, antwortete Adelaide. So ruhig sie das sagte, handelte es sich doch um den verzweifelten Versuch, den Streit, der in der Luft lag, im letzten Moment zu verhindern. »Magdalena hat ihn mit den Bestandslisten für das Lager beauftragt. Da ist es geschickt, wenn er gleich den ganzen Tag bei den Leuten bleibt und ihr Vertrauen

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