Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
über die festgesetzte Strecke zu tragen und musste daher freigesprochen werden. Diese Narren wussten anscheinend nicht, dass die Hexe dabei von den Dämonen beschützt worden war. Unter der Folter hätte sie bestimmt die Wahrheit eingestanden, so aber war sie nun frei und konnte nicht nochmals wegen desselben Vergehens belangt werden. Nein, alles musste er selber machen. So war er auch selbst nach Mainz gezogen, um seine Bulle bei Peter Schöffer mit der neuen Drucktechnik vervielfältigen zu lassen. Die Kosten dafür waren erheblich niedriger ausgefallen, als er ursprünglich vermutet hatte.
Vom Rheintal aus war er nun vor ein paar Tagen weiter von Alberschwende über den Lorenapass nach Schwarzenberg gezogen, war weiter dem Tal der Bregenzerach gefolgt und am Tannberg hatte er bei verlausten und verflohten Bauern übernachtet, die ihm ausgeboten hatten, in ihrer gemeinsamen Familienschlafstatt zusammen zu rücken, was er aber entsetzt abgelehnt hatte. Die Nacht verbrachte er mehr kauernd als liegend in einer Ecke der scharf nach Ziegenmist stinkenden Hütte und die angebotene Milch hatte er nur mit äußerster Willensanstrengung in kleinen Schlucken und mit geschlossenen Augen hinab gewürgt. Institoris spürte den Schmutz nicht nur auf seinem Körper, sondern er fühlte, wie er auch auf seine Seele übergegangen und diese mit einem grauen, klebrigen Schleier belegt hatte.
Kaum war er aus dem Blickfeld der Siedlung verschwunden, riss er sich die Kutte vom Leib, setzte sich splitternackt in den nächstbesten Gebirgsbach und blieb so lange in dem eiskalten Wasser sitzen, bis seine Zähne klappernd aufeinander schlugen. Am ganzen Körper schlotternd schlüpfte er wieder in sein nach Ziegen stinkendes Ordensgewand und machte sich auf den Weiterweg, aber der Schmutz lastete immer noch auf ihm. Vor Mittag überfiel ihn ein beinahe unerträgliches Jucken, offensichtlich hatte er sich auch noch einige Flöhe eingefangen. Auch das mehrmalige Ausschütteln der Kutte brachte keine Abhilfe und so suchte er nochmals einen Gumpen auf, obwohl es ihm klar war, dass dies nun wahrscheinlich nicht mehr ohne gesundheitliche Folgen abgehen würde. Wenige Stunden später stieg er mit rot geränderten Augen und triefender Nase hinab ins Lechtal und der steile Anstieg hinauf zum Hahntennjoch forderte alle seine Kräfte. Immer wieder blieb er stehen und zog japsend die Luft in seine Lungen. Mit fiebriger Stirne kam er in Pfafflar an, wo er schon wieder gezwungen war, bei einfachen Almhirten Unterschlupf zu finden. Der hellgrüne Absud, dessen Zusammensetzung ihm die Leute nicht verraten wollten, schmeckte streng und roch etwas sonderlich. Wenn er gewusst hätte, um was es sich bei dem aufgekochten und eigenartig riechenden Gebräu handelte, wäre sicher kein Tropfen über seine Lippen gekommen. So aber ging es ihm nach zwei Tagen so weit besser, dass er daran denken konnte, den Weg über das Hahntennjoch hinab nach Imst in Angriff zu nehmen. Es kostete ihn einige Überwindung, den immer wieder aufsteigenden Waschzwang zu unterdrücken. Seine Stimmung wurde erst heller, als er am nächsten Tag auf Innsbruck zuschritt.
Hier würde er es nun allen zeigen, diesen uneinsichtigen, überheblichen und verbohrten Nichtswissern und Holzköpfen, gleichgültig, ob sie nun kirchliche oder weltliche Macht ausübten. Hier würde er nun beweisen, dass es auch hier Hexen gab und hier würde er mit seiner Bulle ein Exempel statuieren, das sich bestimmt in Windeseile in der ganzen Provinz und weit darüber hinaus herumsprechen würde. Bei diesem Gedanken strich Bruder Heinrich fast liebevoll über die seitliche Umhängetasche, in der sich ein ganzer Packen der gedruckten Abschriften befanden.
Bereits in Imst hatte er begonnen, die Pfarrhäuser aufzusuchen, und dort erfahren, dass der Inhalt der Bulle bereits vom Bischof bekannt gemacht worden war. Auch machte er in den Gasthäusern Halt, wo er nach einem Schoppen Wein fragte und dort wie beiläufig von seinem Vorhaben erzählte. Manch anderer hätte kleinlaut und verzagt wieder kehrtgemacht, wenn er die ablehnenden und finsteren Blicke gesehen oder die stumme Zurückhaltung zur Kenntnis genommen hätte. Für lnstitoris war diese allgemeine Verstocktheit aber nur ein Zeichen dafür, auf dem richtigen Weg zu sein und es erfüllte ihn mit selbstzufriedener Genugtuung, wie sie offensichtlich vom schlechten Gewissen geplagt es nicht wagten, ihm gerade in die Augen zu sehen. Wichtig war – und das hatte er
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