Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
beides ins Freie. Ich habe mich aus Versehen auf meinen eigenen Löffel gesetzt und er ist entzwei gebrochen, aber du wirst wohl noch einen haben!«, fuhr sie Institoris unfreundlich an. Angeekelt betrachtete er dann das abgenutzte hölzerne Geschirr, ging dann am knurrenden Hund vorbei zum Brunnen und spülte alles sorgfältig ab. Ihn schauderte bei dem Gedanken, dass die Alte schon vor ihm den Löffel in ihrem verknitterten Mund gehabt haben könnte und er versuchte krampfhaft, an irgendetwas anderes zu denken. »Wie weit ist es noch bis Landshut?«
»Landshut? Davon gehört habe ich schon, aber ich war noch nie dort. Ich weiß nur, dass es eine Stadt ist und dort verdorbene Leute wohnen. In allen Städten leben verdorbene Menschen, die zuerst auf dem Land stehlen und rauben. Wenn es ihnen hier zu eng wird, verstecken sie sich in den Städten. Dort soll es sogar Häuser geben, in denen sich Frauen für Geld an Männer verkaufen!«
»Alle Sündhaftigkeit ist gering im Verhältnis zur Sündhaftigkeit des Weibes!« Er warf Cornelius einen Blick zu, worauf dieser verlegen die Augen niederschlug.
»Lieber würde ich mit einem Löwen oder Drachen wohnen, als ein Haus mit einem sündigen Weib zu teilen!«, fügte Institoris nach einer Weile hinzu.
Den letzten Satz glaubte ihm Cornelius aufs Wort, der inzwischen fest davon überzeugt war, dass die einzige intime Berührung Bruder Heinrichs mit einem weiblichen Wesen bei seiner Geburt zustande gekommen war, worüber er sich wahrscheinlich noch heute ekelte.
Wie es wohl Afra ging? Cornelius spürte, wie wieder dieses zwiespältige Gefühl in ihm hochstieg, das ihn innerlich zerfraß und über das er mit niemandem sprechen konnte. Er versuchte sich selbst damit zu entschuldigen, dass es ja nicht sein eigener Wille gewesen war, ins Kloster zu gehen, gleichzeitig schalt er sich einen undankbaren Gesellen, für den die Eltern das Beste gewollt hatten und auch den Dominikanern gegenüber war es trotz aller Härte nicht recht. Was hatte er nicht schon alles angestellt, um sie zu vergessen: Den Rücken hatte er sich mit einem Lederriemen halb blutig geschlagen, wenn er wieder einmal schlaflos in seiner Zelle lag, an kältesten Wintertagen hatte er das Eis aus dem Kübel gebrochen und sich damit abgerieben und sich dann so lange splitternackt auf den Boden gelegt, bis seine Zähne klapperten.
Aber alles hatte nichts genutzt, kaum schloss er die Augen, tauchte sie wieder auf und lächelte ihm geheimnisvoll zu. Einerseits hätte er alles gegeben, wenn er ihr nie begegnet wäre, andererseits wusste er ganz tief drinnen, dass er niemals mehr in seinem Leben einen solchen Augenblick erleben würde. Vielleicht hatte Gott doch etwas ganz anderes mit ihm vor? Oder wollte er ihn nur auf die Probe stellen? Oder war es gar der Teufel, der ihn verführen wollte?
Wie ein Blitz aus heiterem Himmel hatte es ihn getroffen, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte und auch ihr schien es nicht anders ergangen zu sein. Wortlos hatten sie sich gegenübergestanden und einander nur angestarrt und keiner von beiden hatte den Blick vom anderen lösen können.
Nun kam sie über die Wiese auf ihn zu, unter ihrem Kopftuch schimmerten Strähnen ihres blonden Haares, ihre blauen Augen leuchteten und ihre vollen Lippen waren leicht geschürzt. Cornelius spürte, wie sein Blut immer schneller wurde und fuhr erschrocken zusammen, als er Institoris im Befehlston sagen hörte: »Schauen wir, dass wir weiterkommen!«
Als Bruder Heinrich wieder seine Kutte anhob, war dies dem Hund wieder nicht ganz geheuer. Kläffend sprang er auf ihn zu, wurde aber augenblicklich von der Alten zurückgerufen.
Immer mehr Fuhrwerke und Leute kamen ihnen entgegen und ein Mann im härenen Bußgewand aus einer Pilgergruppe, die nach Rom wollte, meinte, bis Landshut seien es höchstens noch zwei Stunden.
»Wie lange rechnest du mit deiner Arbeit an der Kirche?«, fragte Bruder Heinrich unvermittelt.
»Phh«, machte Cornelius, »an irgendwelchen Gewölben sollen Steine ausgewechselt und irgendwo ein Stuck erneuert werden. Zwei Wochen, hat man mir gesagt!«
»Gut. Je schneller, desto besser!«
23. KAPITEL
A uch im Landshuter Kloster war kein Exemplar des »Formicarius« aufzutreiben und langsam schien es ihm, als ob hier Luzifer selbst seine Hand im Spiel hatte, um sein Buch zu verhindern. Schließlich war der »Formicarius« ein inzwischen bekanntes und weit verbreitetes Werk, das, so hatte er gehört, schon in der zweiten
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