Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
hinnehmen?«
»Ich bin zwar hier der jüngste«, mischte sich Leonhard ein, der bisher nichts gesagt hatte, »aber auch ich denke, eine Regelung innerhalb des Ordens wäre das Sinnvollste!«
Alle außer Sprenger nickten. »Ich habe die Wahl damals nur unter der Bedingung angenommen, gegen Bruder Heinrich freie Hand zu haben. Aber er tanzt mir auf der Nase herum. Trotz Verbot findet er immer noch Klöster, die ihn aufnehmen. Ohne einen Augenblick zu zögern, würde ich ihn in einer Zelle wegschließen lassen. Aber er ist wie ein Fisch, den du mit bloßen Händen fangen willst. Kaum glaubst du, ihn sicher gefasst zu haben, glitscht er dir aus den Fingern!
28. KAPITEL
A nton Hehringer war ein Mann mit ehernen Maßstäben, die er nicht nur an sich selber, sondern auch an anderen anlegte. Seiner einzigen Tochter hatte er auch noch nach Jahren nicht verziehen, dass sie sich eines Nachts still und heimlich aus seinem Haus davon gemacht und mit einem abgehalfterten Mönch verschwunden war. Die Briefe von ihr ließ er alle unbeantwortet und seine Frau bekam sie erst gar nicht zu lesen, da er sie immer nur kurz überflog, danach sofort zerriss und dann verbrannte. Irene Hehringer war schließlich noch verbitterter als ihr Mann geworden, als ihr dieser verboten hatte, den Namen ihres einzigen Kindes in seiner Anwesenheit auch nur andeutungsweise zu erwähnen. Auch die gelegentlichen Vermittlungsversuche von Bruder Niklas fruchteten nichts, sondern stießen auf eisige, wortkarge Ablehnung.
Der Name »Afra« war ihm erst wieder über die Lippen gekommen, als er in seinem Behandlungszimmer den Brief öffnete, den kurz zuvor ein Bote vorbeigebracht hatte. Vorher hatte er noch den alten, abgemagerten Mann angewiesen, gegen den Wurmbefall jeweils an einem Donnerstag bei Monduntergang Betonie, Ehrenpreis, Wegerich und Kuckucksampfer zu sammeln, alles zusammen in einem Mörser zu zerstampfen, mit Met zu mischen, dann das Ganze durch ein Tuch zu pressen und davon jeden Morgen einen Becher voll auf nüchternen Magen zu trinken.
»Was ist los? Was steht da drin?«, fragte seine Frau besorgt, die den Medicus beobachtete.
Anton Hehringer stand mitten im Zimmer und sein Hände begannen so heftig zu zittern, dass er beinahe nicht in der Lage war, die Schrift zu entziffern.
»Afra«, hatte er gestammelt, »Afra …«
In seinem Blick stand fassungsloses Entsetzen. Kalte Angst kroch in ihr hoch – es musste etwas Furchtbares passiert sein – so hatte sie ihren Mann jedenfalls noch nie gesehen.
Sie wollte fragen, brachte aber keinen Ton heraus.
»Afra«, sagte er dann tonlos, »sie haben sie wegen Hexerei angeklagt!«
Irene Hehringer brauchte eine Weile, bis sie begriff. Mit einem Aufstöhnen fasste sie sich ans Herz. »Nein, nein. Das ist bestimmt eine Verwechslung oder ein Irrtum oder … jemand will sich einen üblen Scherz machen!« Verzweifelt suchte sie nach dem noch so fadenscheinigsten Grund, warum das nicht sein könne, aber der Ausdruck in den Augen ihres Gemahles nahm ihr jede Hoffnung.
»Der Brief kommt von ihrem Mann, diesem … diesem Cornelius!«
So saß er nun in der Stube seines verachteten und verhassten Schwiegersohnes in der Nähe von Boppard und musste sich widerwillig eingestehen, dass der Mann seiner Tochter doch kein so übler Kerl war, wie er es sich selbst und seiner Frau immer eingeredet hatte.
Vor kurzer Zeit hatte dieser das Häuschen gekauft und war nun dabei, es umzubauen und wohnlich einzurichten. Mit heimlicher Achtung, wenn auch durchmischt mit ein wenig Neid, hatte Hehringer bei sich festgestellt, dass in zwei der Fenster sogar echtes Glas war und nicht nur diese billigen dünnen, durchschimmernden Tierhäute.
Anton Hehringers Ablehnung wich nur nach und nach, wozu aber die beiden auf dem Boden spielenden Kinder Anton und Irene der hauptsächliche Grund waren. Afra hatte darauf bestanden, sie auf die Namen ihrer Eltern taufen zu lassen.
»Großvater«, fragte die kleine Irene und sah ihn mit großen Kinderaugen an, »kommt die Großmutter auch mit, wenn die Mama zurückkommt?«
Er spürte, wie es ihm den Hals zuschnürte und wie etwas Hartes, Festes in seinem Inneren nachgab und mit einem Mal ganz weich und sanft wurde.
»Großvater!«
Allein schon dieses Wort. In den beiden unschuldigen Kindern floss auch sein Blut. Er stand auf und hob das kleine Mädchen zu sich hoch. »Wenn ihr eure Mama wieder seht, wird auch die Großmutter da sein! Ich verspreche es euch beiden.«
Kaum aber setzte
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