Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
er Irene wieder auf den Boden, flogen seine Gedanken zurück zu seiner Tochter und der Groll gegen seinen ungeliebten Schwiegersohn schwoll wieder an.
Wieso musste sich Afra gerade ihn aussuchen? Fast jeden jungen Burschen in Augsburg hätte sie haben können! Und jetzt lag sie in Boppard schon über zwei Wochen im Gefängnis, weil ein paar Leute im Siechenhaus behaupteten, sie habe ihnen zu ihren bisherigen Siechtümern noch ein paar andere Krankheiten dazu gehext. Wenn sie sich nicht in diesen Cornelius vergafft hätte, wäre sie auch in Augsburg geblieben und hätte es nicht nötig gehabt, sich für ein paar Münzen um bresthafte Habenichtse zu kümmern. Da half es auch nichts, wenn Cornelius immer wieder beteuerte, es sei ihr dabei nicht um das Geld, sondern um die christliche Nächstenliebe gegangen. Aus dem Siechenhaus heraus hatten sie sie verhaftet und der fassungslose Vater hatte den heulenden Kindern erzählt, ihre Mutter sei für ein paar Wochen zu ihren Eltern gereist.
Die beiden Männer sprachen zwar miteinander, beschränkten sich dabei aber auf das Notwendigste und Cornelius wusste, dass er ihm Zeit lassen musste. Aber trotzdem spürte er, wie sie Afras Schicksal näher zusammenrücken ließ. Jetzt war keine Zeit für engstirnige Schuldzuweisungen und beide hielten sich stillschweigend daran. Sachlich und kühl hatten sie bis spät in die Nacht alle verbleibenden Möglichkeiten durchgespielt, aber das Ergebnis sah eher dürftig aus.
Cornelius hatte berichtet, wie er gleich nach Afras Festnahme beim Magistrat vorstellig geworden war, wo man ihm aber schlicht eine umfassendere Auskunft verweigert und ihn nur herablassend mit nichtssagenden Floskeln abgefertigt hatte. Auch eine Anfrage im Siechenhaus nach der genauen Art der Anschuldigung und die Nennung der Namen der angeblich Behexten wurde abschlägig beschieden, da dazu eine Anweisung seitens des Gerichtes vorläge. Selbst Afras nächste Mitarbeiterinnen, von denen sie glaubte, einige zu ihren Freundinnen zählen zu können, hüllten sich in Schweigen. Zusammen waren sie beide dann im Gefängnis erschienen, aber ein Gespräch mit Afra wurde strikt abgelehnt. Es half auch nichts, dass sich der Medicus als ihr Vater vorstellte, der extra den weiten Weg hierher auf sich genommen hatte, um seine Tochter zu sehen.
Das einzige, was man ihnen sagte, war, es seien bereits weitere Frauen verhaftet worden, von denen es ebenfalls hieße, sie seien Hexen. Von einem Bekannten, dessen Frau als Wäscherin auch für den Haushalt eines Stadtrates arbeitete, erfuhr Cornelius dann, es seien bisher noch keine Verhöre gemacht worden, da sich das Gericht über die Vorgehensweise nicht einig sei.
Am frühen Abend saßen sie sich stumm in der Stube gegenüber und jeder spürte neben seiner eigenen auch die immer größer werdende Verzweiflung des anderen. Draußen vor dem Haus zirpten die Grillen, ein paar Frösche quakten, zwei Elstern zankten sich lautstark im Geäst der Linde und auf dem Boden quengelten die Kinder. Aber keiner der beiden nahm etwas davon wahr.
»Der Henker!«, flüsterte Anton Hehringer mit einem Mal heiser. Cornelius sah ihn verständnislos an.
»Der Henker! Kennst du ihn?«
Sein Schwiegersohn protestierte halb beleidigt, dass kein ehrsamer Mensch Wert darauf lege, einen Scharfrichter zu kennen, der womöglich auch noch als Abdecker, Hundefänger und Abtritträumer seinen Lebensunterhalt verdiene, aber Hehringer unterbrach ihn ungeduldig. »Der Henker – weißt du, wo er wohnt?«
»Ja, schon, in einem kleinen Haus außerhalb der Stadtmauer. Ich glaube, Diebold Hartmann heißt er«, antwortete Cornelius immer noch leicht ungehalten.
»Also gut. Noch heute Abend gehst du zu ihm. Ich würde zwar gerne mitkommen, aber zwei Leute fallen mehr auf als ein einzelner Mann. Ich passe inzwischen auf die Kinder auf.«
Noch während er dies sagte, erhob er sich und kramte einen Beutel aus der Tasche auf der Bank an der längsseitigen Wand. »Hier!«, sagte er mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete und drückte Cornelius den schweren Geldsack in die Hand.
Es mochten noch keine drei Stunden vergangen sein, als die Türe aufflog und Cornelius schwer atmend in die Stube gestürzt kam.
»Er ist da!«, keuchte er stoßweise. »Er ist in Boppard! Vater Heinrich, ich meine Institoris … Heinrich Institoris … er ist da. Ich habe ihn gesehen!«
Der Medicus konnte mit dem Namen im ersten Moment nichts anfangen. Aber als ihm sein Schwiegersohn in
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