Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
KAPITEL
D raußen vor der Türe unterhielten sich halblaut zwei Männer. Afras Herz begann wie rasend bis in den Hals zu pochen, als sie eine der Stimmen als die des Scharfrichters erkannte.
»Morgen sollen die Verhöre beginnen und ich will mir die Frauen noch vorher ansehen!«, hörte sie ihn sagen. Obwohl sie an der Zellenwand kauerte, spürte sie, wie ihre Knie zu zittern begannen. Afra hatte schon längst keine Tränen mehr, nur noch gelegentlich stieg ein trockenes, würgendes Schluchzen in ihr hoch. Schon an die zwei Wochen lag sie nun hier in dem feuchten Verlies, kein Mensch sprach mit ihr eine Silbe und auch die Wärter versahen wortlos und mürrisch ihren Dienst. Nur das leise Wimmern und das gelegentliche Klirren der Eisenketten aus den Kammern neben ihr gaben ihr das Gefühl, in ihrer Angst und Verzweiflung nicht ganz allein zu sein. Das war zwar ein schwacher und wie sie sich eingestehen musste auch unchristlicher Trost, aber es war ihr einziger. Anfangs hatte sie noch gehofft, dass das Ganze nur ein furchtbarer Irrtum sei, aber mit jeder Zelle, die neu belegt wurde, starb auch ein Stück Hoffnung in ihr.
Eine Hexe sollte sie sein. Ausgerechnet sie, die sich im Siechen-haus auch nicht vor den widerwärtigsten Arbeiten drückte, wie es manche andere taten. Die sich sogar der bei allen gefürchteten Klara annahm, deren ganzer Körper über und über mit Geschwüren übersät war und um die fast alle wegen ihrer Bösartigkeit einen großen Bogen machten. Diese dankte es ihr aber nur mit gehässigen Anwürfen und mutwilligen Schikanen. Als noch ein großes Furunkel in ihrem Genick dazu kam, streute sie tuschelnd das Gerücht, einzig und allein Afra sei daran schuld, weil diese sie nicht leiden könne. Zwei andere, ein Mann und eine Frau, deren Zustand sich ebenfalls verschlechterte, schlossen ebenfalls nicht aus, dass das alles nicht mit rechten Dingen zugehen könne und als der Greis sich vor Schmerzen auf der Bahre krümmte und auch Afras Hilfe keine Linderung brachte, waren sich alle drei einig, es könne sich nur um üble Hexerei handeln. Lästig waren sie und möglichst schnell loswerden wollte sie sie.
Cornelius? Wieso tat er nichts und ließ sie hier schmachten?
Bitterkeit stieg in ihr hoch, während quietschend eine der benachbarten Zellentüren aufgeschlossen wurde. Er war ihr Mann, den sie immer noch innig liebte, für den sie sich sogar mit ihrem Vater überworfen hatte und der sie nun so schmählich im Stich zu lassen schien. Nichts hatte sie mehr von ihm gehört und es kam ihr vor, als ob er ganz, ganz weit weg sei und sie tatenlos mit unbewegter Miene und gleichgültigen Augen aus der Ferne beobachtete.
»Du tust ihm Unrecht. Sicher unternimmt er alles, was in seiner Kraft steht!« Die Kinder. Was war mit den Kindern?
Der Gedanke an sie schnitt wie ein langer, spitzer Dolch in ihre Seele. Er war noch um ein vielfaches schmerzlicher als der an Cornelius. Was würde aus ihnen werden, aus diesen beiden kleinen, unschuldigen Würmern? Tränenlos starrte sie in die Dunkelheit und sah sie vor sich. Das kleine, übermütige Lausbubengesicht von Anton und das stille, in sich gekehrte von Irene. Vom Gang her hörte sie das undeutliche Gemurmel der beiden Männer und Schritte des einen, die sich offensichtlich entfernten. Angespannt lauschte sie, wie sich eine Türe nach der anderen öffnete und dann wieder zugeworfen wurde.
»Soso, die Frau des Pfannenflickers seid Ihr, also die Hexe, die der Doktor vor ein paar Jahren schon in der Nähe von Mainz entdeckt hat!«, hörte sie dann die laut vernehmliche Männerstimme aus der Zelle neben ihr.
Als der Schlüssel zu ihrem Verlies schwer im Schloss drehte, wich sie unwillkürlich so weit in die Tiefe des Raumes zurück, wie es die Kette erlaubte.
Vor ihr stand auf der Schwelle die massige Gestalt des Henkers.
»Afra Hoier?«, knurrte er kurz.
»Ja?«
Vor Angst versagte beinahe ihre Stimme.
Diebold Hartmann schob die Zellentüre so weit zu, dass nur noch ein handbreiter Spalt offen blieb. »Hört zu«, flüsterte er, »aber hört genau zu!«
Während er redete, suchte er einen Schlüssel an dem Bund in seinen Händen und machte sich dann an der breiten Schelle an ihrer Hand zu schaffen.
»Ihr verschwindet sofort von hier, das Tor unten ist offen! Aber Ihr seid dabei leiser als ein Mäuschen! Dann geht Ihr unauffällig zum östlichen Stadttor. Dabei rennt Ihr nicht und lauft nicht! Ihr kennt den Weg dorthin?«
Afra nickte und war sich sicher,
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