Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
später Abend, als sie in Leutkirch eintrafen, wo sich die Frau verabschiedete.
Graue Rauchfetzen quirlten aus den eng an eng stehenden Häusern, wurden vom Wind in die schmalen Gassen gedrückt, überlagerten den Gestank von Fäkalien und vermischten sich mit den scharfen Gerüchen aus den Ziegenverschlägen und Schweineställen. Der Gasthof entpuppte sich als heruntergekommene Kaschemme mit einem dicken, kahlschädeligen Wirt, der die neuen Gäste unfreundlich anstarrte und ihren Gruß mit einem Grunzlaut quittierte. Mehrere verwegen aussehende Männer saßen mit stierem Blick um einen runden Tisch, auf dem ein großer Schnapskrug stand, ein Würfelbecher knallte auf die Eichenplatte. Das darauf folgende Grölen war so laut, dass es in den Ohren wehtat.
Nider und der Kaufmann entschieden sich für den entferntesten Tisch.
»So wie die aussehen, verdienen die ihren Lebensunterhalt auch nicht alle auf ehrliche Weise«, flüsterte der Kaufmann nach einer Weile.
Einer der Männer trug eine Augenklappe, einem anderen fehlte an der linken Hand vier Finger und ein anderer hatte eine riesige, rot leuchtende Narbe, die sich über die ganze linke Wange zog und offensichtlich von einem Schwerthieb herrührte.
»Nein, denen möchte ich auch nicht alleine im Wald begegnen«, murmelte der Mönch.
Beide versuchten ihr Unbehagen zu verbergen und taten so, als ob sie die immer dreister und frecher werdenden Blicke nicht bemerkten.
Der Kutscher hatte die erschöpften Tiere im Stall versorgt und nach den beiden Pferden gesehen, die morgen die Kutsche nach Isny ziehen sollten. Auch die Radnaben hatte er noch mit Talgfett eingeschmiert und neue Holzklötze in die Bremsschuhe gesteckt. Als er in die Gaststube trat, wurde er mit lautem Geschrei begrüßt und der mit der Narbe füllte einen Becher randvoll mit Schnaps und hielt ihn ihm entgegen.
»Komm her, Wendelin, setz dich zu uns«, schrie der Einäugige.
Der Kutscher nahm einen großen Schluck, stellte den leeren Becher auf den Tisch und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, während er einen lauten Rülpser ausstieß.
»Gleich. Ich muss nur kurz in meine Kammer und mich umziehen. An meinem Gewand ist schon seit dem Vormittag kein Faden mehr trocken!« Er kam zu seinen Fahrgästen herüber ins Halbdunkel.
»Was sind denn das für ungehobelte Menschen?«, deutete Nider mit dem Kopf zu den Zechern.
»Der mit der Feder am Hut und der mit der Augenklappe fangen entlaufene Leibeigene ein. Wird ganz gut bezahlt. Die anderen …«, er zuckte die Schultern, »kenne ich nicht. Es ist auch hie und da besser, wenn man seine Nase nicht überall hineinsteckt. – Willst du dich nicht hier um deine Gäste kümmern?«, rief er dann quer durch die Stube zum Wirt hinüber.
Mürrisch wuchtete dieser seinen massigen Körper an den Tisch und entzündete mit einer Kerze den Kienspan, der in einer Halterung in der Wand steckte. »Was wollt ihr?«
»Zuerst einmal etwas Trockenes anziehen!«, erwiderte der Kaufmann ärgerlich.
»Erster und zweiter Verschlag hinter der Tür. Essen und Trinken?«
»Was habt ihr?«
»Würste mit Kohl, Speck, Kohlsuppe mit Fleisch.«
»Würste mit Kohl«, sagte der Kaufmann, »und einen Krug Wein.«
Der Wirt sah wortlos und verächtlich den Mönch an.
»Ein Stück Brot, das genügt mir!«
»Was?«
»Vielleicht noch einen Apfel, wenn ihr einen habt. Und ein Glas Wasser!«
»Ist das Euer Ernst oder wollt Ihr einen Spaß mit mir machen?« Die kleinen Augen funkelten zornig in dem feisten Gesicht.
»Nein, ich brauche wirklich nicht mehr!«
Dem Wirt blieb der Mund offen stehen. Da sollte sich noch einer auskennen! Erst vor ein paar Tagen waren zwei Franziskaner durchgekommen, die nach den Würsten jeweils noch ein großes Speckstück vertilgt hatten und anschließend so gezecht hatten, dass sie alleine nicht mehr ihre Schlafstatt fanden und am nächsten Morgen kaum wach zu bekommen waren. Und der hier sah seinem Körperumfang nach zu urteilen auch nicht so aus, als ob er etwas zurückgehen ließe. Kopfschüttelnd verschwand er in der Küche.
3. KAPITEL
D as Wetter war immer noch unverändert. Heute Mittag waren sie in Wangen durchgekommen, wo der Kaufmann ausgestiegen war und auf eine Fahrgelegenheit nach Chur wartete.
Ein Weißgerber, der zuerst nach Isny und dann weiter nach Kempten wollte, verstaute seine Lederpacken auf dem Kutschendach und ein Hufschmied, der nach verbranntem Horn roch, hatte sich einen Sack Hufnägel beim hiesigen
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