Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
Elisabeth Frauendienst stand unter der Tür ihres Hauses am Ravensburger Viehmarkt. »Bei der Gertraud müsste es auch bald so weit sein. Hoffentlich geht es diesmal leichter. Ihre bisherigen Geburten waren …«, wollte sie zu ihrer Nachbarin sagen, hielt aber inne, als der Mönch auf ihrer Höhe war.
»Gelobt sei Jesus Christus!«, grüßten die beiden Frauen, aber der Mönch warf ihnen nur einen mürrischen Blick zu und murmelte etwas Unverständliches.
»Kennst du den?«, fragte Elisabeth.
Die Nachbarin schüttelte den Kopf. »Nein. Den habe ich noch nie gesehen. Er scheint aber nicht das erste Mal in Ravensburg zu sein!«
Sie sahen ihm nach, wie er zielstrebig in die Richtung zum Rathaus verschwand.
Elisabeth Frauendienst, die alle nur Els nannten, war Anfang fünfzig, hatte ein fein geschnittenes Gesicht und eine stämmige Figur mit breiten Hüften. »Sechs Kinder gehen halt nicht spurlos an einem vorbei«, pflegte sie zu sagen, wenn sie ihr Mann Hans mit ihrem »gebärfreudigen Becken« frotzeln wollte.
»Du weißt, dass ich dich so mag, wie du bist«, lachte er dann gutmütig, wenn sie darauf ein wenig eingeschnappt reagierte.
Beide kannten sich schon von Kindesbeinen an und seit über einem Vierteljahrhundert waren sie verheiratet. Kurz nach ihrer Hochzeit hatte Hans die väterliche Schlosserwerkstatt übernommen und beide hatten es zu einem bescheidenen Wohlstand gebracht. Stolz war sie auf ihre drei Söhne und drei Töchter, die alle bereits aus dem Haus waren. Ihre Schwiegersöhne mochten sie wegen ihres gelegentlich derben Humors und die Schwiegertöchter behandelte sie wie ihre eigenen Kinder.
Vom rückwärtigen Teil des Hauses her klangen wuchtige Hammerschläge und das wimmernde Nachsummen des Ambosses. Dazwischen mischte sich das helle Lachen eines Kindes. Bestimmt machte ihr Hans wieder einen Spaß mit Thonius, dem ältesten Buben ihres Sohnes Sebastian, für den es keinen schöneren Platz als in der Schmiede gab, wo die Funken stoben, das Eisen zischend und dampfend im Wasserkübel verglühte und er den Blasebalg treten durfte.
»Ich muss jetzt zum Kochen, sonst wird der Hans ungemütlich, wenn das Essen nicht rechtzeitig auf dem Tisch steht!«, sagte Els und warf einen kurzen Blick zum Himmel, an dem ein urplötzlich aufkommender Wind schwarze, mit schwefelgelben Streifen durchzogene Wolken vor sich herschob.
Die Nachbarin hatte die Straßenmitte noch nicht erreicht, als schon das Wasser wie eine Wand die Straße herauf zog und so wuchtig auf den Boden platschte, dass es bestimmt eine Elle hoch in die Höhe sprang.
»Schau, dass du heim kommst. Es kommt gleich noch ärger!«, rief sie aus dem sicheren Hauseingang der Frau nach, die ihre Joppe schützend über den Kopf gezogen hatte. Els hatte den Satz noch nicht beendet, als die Gestalt mitsamt ihrem aufgeregten Geschrei vom Unwetter verschluckt wurde.
In der trockenen Stube des Rathauses saß der Mönch Johannes Gremper gegenüber.
»Deswegen haben wir Euch kommen lassen, Doktor Institoris. Ihr seht es selbst«, er deutete mit dem Kopf hin zum Fenster, »so geht das nun schon über längere Zeit. Vor zwei Jahren kamen innerhalb kurzer Zeit solche Wassermassen von oben, dass die Schussen über die Ufer trat und sogar der Altar in der Mühlbruggkapelle überflutet wurde. Im Winter wütete die Pest in Ravensburg und im Schussental, auch der Abt im Kloster Weißenau wurde dahingerafft. Letztes Jahr brachte zuerst ein Unwetter Misswuchs, dann vernichteten Hagelschläge den Rest von dem, was noch auf den Feldern und in den Weinbergen übrig war. Auch die Verbrechen nehmen zu. Allein seit Januar hatten wir sieben Todesurteile zu vollstrecken. Die Bevölkerung ist in Aufruhr, fast alle glauben, dass hier teuflische Kräfte am Werk sind. Der Stadtrat hat mich beauftragt, mit Euch Verbindung aufzunehmen, da ich Euch als päpstlich beauftragten Inquisitor empfohlen habe, der sich auch mit dieser neuen und in den letzten Jahren überhand nehmenden Art der Zauberei auskennt.«
An sich war Heinrich Kramer, der seinen Namen nach dem Erhalt der Doktorwürde in Institoris lateinisierte, auf den ersten Blick ein unscheinbarer Mann. Weder war er besonders groß noch besonders klein, die Schultern erschienen durch die härene Kutte breiter, als sie tatsächlich waren und auch sein Gesicht hätte man als durchschnittlich bezeichnet, wenn da nicht seine Augen gewesen wären. Selbst Johannes Gremper, der ihn nun schon lange genug kannte, konnte sich ihrer
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