Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
Mindelheim brachte zuerst keinen Ton heraus, als Josef Elger und Arnold Wilheim gebückt durch den Eingang zu ihrem Verschlag traten und sie im Namen des Gesetzes zum Mitkommen aufforderten.
Noch nie in ihrem Leben hatte sie mit der Obrigkeit etwas zu schaffen gehabt. Sie war ein altes, schrumpeliges Weiblein mit einer großen, gebogenen Nase, die dem kleinen Gesicht etwas Raubvogelhaftes verlieh. Ihre Kleidung bestand mehr oder weniger aus aneinander genähten Flicken und aus dem linken ausgelatschten Schuh lugten die Zehen heraus.
»Wieso soll ich mitkommen?«, fragte sie nach einer Weile mit angstzitternder Stimme.
»Du sollst einem Fuhrmann die Rösser verhext und Wetterzauber verübt haben«, antwortete der Elger, »aber das werden dir die Herren schon genauer sagen.«
»Fessle sie!«, befahl er dann seinem Gehilfen.
Bereitwillig hielt die Mindelheimerin dem Büttel die Hände hin, der sie mit einem Strick zusammenband und dann das Seil verknotete.
»Stimmt es, dass du zaubern kannst?«, wollte der Wilheim von ihr wissen, während sie durch den Dreck der noch vom letzten Regen aufgeweichten Straße dem Grünen Turm zugingen.
Anna schüttelte wortlos den Kopf.
Überall kamen die Leute aus den Häusern und Hütten, einige starrten die alte Frau böse an, andere tuschelten miteinander, eine besonders Neugierige wollte gerade aus dem Obergeschoss ihren Nachttopf auf die Straße leeren, setzte diesen aber auf dem Fenstersims ab und kam die Treppe heruntergerannt, um sich die Unholdin möglichst aus allernächster Nähe anzusehen.
In Windeseile sprach es sich herum, dass die Mindelheimerin als Hexe enttarnt worden sei und nun ins Gefängnis geworfen würde.
»Ich habe es immer schon gewusst«, flüsterte eine der Nachbarinnen.
»Auch ich habe es schon lange vermutet«, antwortete die andere. Ein Hund jagte ein paar Hühner um ein Hauseck, aber niemand hatte einen Blick dafür übrig.
»Kennst du die Geschichte von der Katze?«, fing die eine Frau wieder an, wartete aber keine Antwort ab, sondern sprach gleich in verschwörerischem Ton weiter. »Das soll so gewesen sein: Die Stärin hatte einen Topf mit Milch auf dem Tisch stehen, als eine schwarze Katze zur Tür hereinkam, auf den Tisch sprang und sich über die Milch hermachte. Die Stärin wollte sie verscheuchen, aber die Katze sah sie nur ganz frech an. Sie hat dann ihren Schuh genommen und nach ihr geworfen, erst dann ist die Katze fauchend vom Tisch gesprungen, aber als sie sich wieder umdrehte, war das Tier schon wieder oben bei der Milch. Die Stärin ist darauf ganz wütend geworden und hat nach dem Besen gelangt und mit dem Stil auf die Katze eingeschlagen und sie auch am Kopf erwischt. Diese hat sie aber mit glühenden Augen angesehen und ist mit lautem Fauchen zur Türe hinaus. Fast im gleichen Augenblick ist aber die Mindelheimerin schreiend aus ihrer Hütte gesprungen, an ihren Armen und Händen hatte sie blaue Flecken und am Kopf ein paar große Beulen. Sie hat dann behauptet, die Holzbeige sei umgefallen. In Wirklichkeit aber hat sie sich in eine Katze verwandelt und wollte in deren Gestalt Milch stehlen, weil sie selber nichts mehr zu essen gehabt hat. Aber um sich wieder in menschliche Gestalt zu verwandeln, musste sie wieder in ihre Hütte zurück, auf der Straße konnte sie es ja nicht machen, das hätte womöglich jemand gesehen!«
Anna Mindelheimer wäre am liebsten im Boden versunken. Es tat weh, in die Augen von Leuten sehen zu müssen, mit denen sie noch vor kurzem arglos geplaudert hatte und in denen nun der blanke Hass stand.
»Stimmt das mit den Pferden?«, fragte der Wilheim neugierig, aber Anna hörte ihn nicht.
Wer sie wohl angezeigt haben mochte?
Ihr fiel nur der Ambros Güttelin ein. Der war Fuhrmann und ihm waren nacheinander dreiundzwanzig Pferde eingegangen. Als er mit seinem letzten Geld das vierundzwanzigste kaufte, hatte er zu ihr gesagt, wenn sie ihm auch noch dieses verhexe, würde er sie mit seinen eigenen Händen umbringen.
Sie selbst hatte es schon längst aufgegeben, ihn davon zu überzeugen, dass sie keine Hexe sei und ging ihm so gut es ging aus dem Wege. Als sie einmal zu ihm sagte, vielleicht solle er einfach seine Pferde besser behandeln, wäre er handgreiflich geworden, wenn sie nicht schleunigst das Weite gesucht hätte.
Aber wer soll sie wegen Wetterzauber angezeigt haben? So sehr sie auch nachdachte, ihr fiel niemand ein.
Anna empfand es beinahe als Erleichterung, als sie beim Gefängnisturm
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