Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
schließlich war es nicht die erste Anzeige. Aber eigentlich kam es eher selten vor, da sich die meisten Männer schämten, von einer Frau auf die Straße geworfen zu werden und dies auch noch mehr oder weniger öffentlich kundzutun. Neugierig betrachtete sie den kunstvollen Ofen mit den Figuren auf der rechten Seite und war gerade dabei, sich die Bilder in den Butzenscheiben genauer anzusehen, als der Ammann zusammen mit dem Bürgermeister eintrat.
Während sich die Türe öffnete, erhaschte sie einen winzigen Blick nach draußen und sah, dass sich dort plötzlich vier Büttel postiert hatten.
»Was soll das bedeuten?«, schrie sie die beiden Männer an.
»Beruhige dich«, antwortete Konrad Gäldrich, »wir haben nur ein paar Fragen!«
»Was, wegen ein paar zerrissenen Kleidern kommt sogar der Bürgermeister und lässt den Raum bewachen, als ob er es mit einem Schwerverbrecher zu tun hätte?«
Sunthain und Gäldrich sahen sich verständnislos an. »Zerrissene Kleider?«
»Der Elger hat gesagt, es liege eine Anzeige wegen zerrissener Kleidung von einem gewissen Michael vor!«
In diesem Moment ging die Türe abermals auf und herein trat ein Dominikanermönch mit einem Packen Papieren unter dem Arm. Er blieb kurz vor ihr stehen und sah sie mit stechenden Augen an, sprach aber kein Wort.
Agnes hielt seinem Blick stand. Mit einem Male wurde ihr schwindlig und alles begann sich um sie zu drehen. Jetzt erst erkannte sie ihn wieder. Es war der Prediger von Liebfrauen! Aus ihrem Gesicht war alle Farbe gewichen, zitternd stand sie mit geschlossenen Augen im Raum und sie spürte es förmlich, wie sie von den Männern angestarrt wurde. Sie hörte das Raunen, konnte aber in ihrer Aufregung nichts verstehen.
»Wo ist der Notar?«, schnarrte Institoris, während er seine Papiere auf den Tisch legte und säuberlich zurechtrückte.
»Er ist schon unterwegs«, antwortete der Ammann.
»Ihr habt mich hereingelegt!«, fing Agnes zu schreien an, die nun wieder langsam einen klaren Gedanken fassen konnte. Das Blut schoss ihr in den Kopf und aus ihren großen Händen wurden gewaltige Fäuste.
So leicht kriegt ihr mich nicht, dachte sie, drehte sich langsam um und fixierte aus den Augenwinkeln die Saaltüre. Mit dem Mut der Verzweiflung nahm sie einen Anlauf, kam aber kaum drei Schritte weit.
»Packt sie!«, rief der Bürgermeister aufgeregt den Bütteln zu.
Zwei der Männer stürzten sich auf die Magd und versuchten sich an ihren Armen festzuklammern. Agnes riss ihren linken Ellbogen in die Höhe und stieß ihn einem der Büttel unter das Kinn, der darauf mit einem Schmerzensschrei von ihr abließ. Geschickt nutzte sie den Vorteil und stieß den anderen hinüber zum Ofen. Der größte von ihnen sprang von hinten auf ihren Rücken, klammerte sich mit beiden Armen um ihren Hals und versuchte seine Beine um ihre Oberschenkel zu schlingen.
Keuchend wollte sie ihn über den Kopf hinweg auf den Boden schleudern, aber der Büttel hing wie eine Zecke an ihr. Agnes holte tief Luft und ließ sich nach hinten fallen und begrub ihn unter ihrem bulligen Körper, während der Vierte unentschlossen mit einem Seil um sie herum sprang. Der Wilheim wollte sich auf sie werfen, sie aber zog blitzschnell ihre Beine an und trat ihm in den Bauch, worauf dieser im hohen Bogen rückwärts flog und auf dem Hosenboden durch den Saal schlitterte.
»Vier Männer werden doch mit einem Weib fertig werden!«, schrie Gäldrich in den Tumult, während sich die Büttel wieder gesammelt hatten und sich erneut mit Geschrei auf sie warfen.
Johannes Gremper öffnete die Türe nur einen Spalt weit und zog sie aber gleich wieder zu, als er das Durcheinander sah. Erst als es drinnen wieder ruhiger wurde, spähte er wieder hinein, wartete dann aber vorsichtshalber noch eine Weile, bevor er den Saal betrat.
Inzwischen stand Agnes Bader schwer atmend und an Händen und Füßen gefesselt vor dem U-förmigen Richtertisch.
Josef Elger wischte sich das Blut von der Nase, während Institoris, Gäldrich, Gremper und Sunthain auf den Stühlen Platz nahmen.
»Ihr könnt jetzt die Anna Mindelheim verhaften«, wies flüsternd der Bürgermeister den Oberbüttel an, »mit der werdet ihr wohl eher fertig. Richtet auch gleich die Zellen im Turm her!«
»Achtet darauf, dass die Frauen nichts voneinander wissen, keinen Kontakt miteinander haben und sich nicht gegenseitig absprechen können. Schaut also, dass sie im Turm weit genug auseinander liegen!«, befahl der Notar.
Anna
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