Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
die Leute gegeneinander auszuspielen, aber mit nur seinem Namen in der Bulle hätte er diese nicht bekommen. Dafür hat er den Mitbruder Sprenger benutzt.«
Als Institoris erwachte, schwamm er in einem Meer voll Blut. Alles rund um ihn herum war rot und in seinem Mund spürte er einen salzigen Geschmack. Er fuhr über sein Gesicht und in seinen Händen sammelte sich blutgetränkter Schnee, an seinem Kopf ertastete er eine riesige Beule und sein rechter Oberarm schmerzte, als er sich aufrichten wollte. Irgendwo wieherten angstvoll zwei Pferde und eine Männerstimme fluchte gotteslästerlich. Stöhnend zog er sich an einem Ast in die Höhe und sah sich fassungslos um. So weit er sehen konnte, war der Schnee rot durchtränkt, neben ihm lag ein zerbrochenes Wagenrad, ein Stück weiter vorne ragte das Stück einer abgebrochenen Deichsel wie eine zersplitterte Fahnenstange in den Nebel und ein sonderbarer süßlicher Geruch lag in der Luft. Institoris brauchte eine Zeit lang, um sich klar zu werden, wo er sich befand und was passiert war. »Reintner, bist du noch da?«, schrie er in die Richtung, aus der das Fluchen und das Wiehern kam.
»Wo soll ich denn sonst sein?«, kam es wütend zurück. »Kommt lieber her und helft mir. Das ganze Fuhrwerk ist hin!«
Ächzend zog er erst sein rechtes und dann sein linkes Bein aus dem verpressten Schnee, auch sein linker Fuß schmerzte.
Wahrscheinlich verdreht, dachte er und versuchte vorsichtig seinen Körper zu bewegen und schleppte sich, nachdem er keine größere Verletzung festgestellt hatte, zum Fuhrmann hinüber.
Heute am Morgen waren sie in Gries aufgebrochen, obwohl sie alle vor der Lawinengefahr hinunter durch das steile Silltal gewarnt hatten. Gestern hatte er sich noch mit einigen dieser einfältigen Leute angelegt und ein stämmiger Kutscher hatte ihm angedroht, dass er ihm eine aufs Maul haue, wenn er nicht sofort Ruhe gebe und es ginge ihm am Arsch vorbei, dass er ein Geistlicher sei. Heute früh hatten sie ihn feindselig angestarrt und er wäre keinen Augenblick länger geblieben, als es unbedingt notwendig gewesen wäre. Da kam es ihm gerade recht, wie ein Frächter jammerte, er müsse unbedingt hinunter nach Innsbruck, weil er eine Ladung Wein dabei habe und er sowieso schon einen ganzen Tag in Verzug sei. Aber alle schüttelten nur den Kopf und es half auch nichts, dass er immer wieder darauf hinwies, er sei nun schon seit über zwanzig Jahren auf dieser Strecke unterwegs und kenne sie wie seine Hosentasche.
»Ebendarum, Justin«, bekam er zur Antwort, »dann müsstest du es ja wissen. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Entweder kommst du durch oder nicht. Aber die Wahrscheinlichkeit für die erstere ist eher klein, das brauchen wir dir ja nicht zu sagen!«
»Ich würde mitgehen«, erbot sich Institoris sofort, »zu zweit wäre es ja gelacht, wenn wir da mit dem kleinen Wagen nicht hinunter kommen!«
Niemand sagte etwas und er spürte, wie der Fuhrmann unsicher wurde.
»Wir sind in Gottes Hand! Glaubt mir, wir kommen da schon durch! Es ist für mich auch nicht das erste Mal da hinunter!«, redete er auf den Mann ein.
»Gottes Hand …«, lachte jemand, »dafür hat er dir ein Gehirn gegeben. Sonst kannst du ja gleich auf einem Baumstamm auf der Sill die Schlucht hinunter!«
Bruder Heinrich warf ihm einen wütenden Blick zu. Das hätte ihm noch gefehlt, womöglich einen ganzen Tag hier verbringen zu müssen und er war erleichtert, als ihm der Frächter, wenn auch immer noch zögernd, zunickte.
Es war auch tatsächlich keine besonders schwere Fuhre und der Wagen war nur ein Zweiräder. Gelegentlich drohte er auf den wasserüberlaufenen Stellen abzurutschen, die nunmehr zu Eis gefroren und mit einer handhohen, verblasenen Schneeauflage überzogen waren. Nur mit vereinten Kräften konnten sie dann das Fahrzeug auf dem Wege halten und der Fuhrmann hätte am liebsten auf der Stelle kehrtgemacht, musste aber einsehen, dass sie nun in der Falle saßen. Wieder hinauf zum Brenner hätten es die Pferde nicht geschafft, die einzige Möglichkeit war der Weg nach unten durch das Wipptal.
Sie waren bestimmt nun schon gut drei Stunden unterwegs, als sie zwischen dem Schnauben der Rösser einen dumpfen Knall hörten und sich der Hang über ihnen zuerst langsam, dann immer schneller werdend in Bewegung setzte.
Der Fuhrmann schlug wie verrückt auf die Pferde ein, die mit Schaum vor dem Mund vorwärts preschten, während der Mönch hinterher hastete.
»Eine Lawine! Lauft
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