Hexenhammer: Historischer Roman (German Edition)
konnten. Nach ein paar Monaten waren es bereits 5000 Brüder und Schwestern, sechs Jahre später über 100 000. Auch Kaiser Friedrich III. mit mehreren Kurfürsten, seiner Gattin, seinem Sohn Maximilian, ja selbst der Papst sowie viele hochgestellte Persönlichkeiten ließen sich in die Rosenkranzbruderschaft aufnehmen.
Unwillkürlich ging Niklas ein Vergleich durch den Kopf, während er durch die engen Gassen dem stattlichen Kloster zuschritt. Irgendwie waren sie sich ähnlich und doch wieder waren sie grundverschieden, sein Mentor Nider und der Jakob Sprenger. Beide waren demütig und bezogen ihre Bescheidenheit aus ihrer tiefen Gläubigkeit, beide besaßen trotzdem Durchsetzungsvermögen und den dazu in schwierigen Situationen nötigen eisenharten Willen. Beide waren bei ihren Schülern beliebt, aber doch jeder auf eine andere Weise.
Nider war mehr ein intellektueller Kopfmensch, mit Schwärmerei konnte er nichts anfangen und mit Mystik tat er sich eher schwer. Das hatte er ihm selbst einmal gesagt.
Sprenger dagegen war ein großer Verehrer der Mutter Gottes und trotz seiner ernsten charismatischen Ausstrahlung besaß er jede Menge feinsinnigen Humor.
Hier in Köln hatte Niklas bei ihm Theologie studiert, hier hatte er seinen rhetorischen Feinschliff erhalten, hier aber war er auch für sich selbst an die Grenzen der hochgelehrten scholastischen Dispute gestoßen. Er konnte es sich einfach nicht vorstellen, dass Gott den Menschen solche Spitzfindigkeiten in den Weg gelegt haben sollte: wie viele Engel auf einer Nadelspitze Platz haben, ob Engel weinen können oder ob sie Griechisch oder Hebräisch sprachen. Diese Art von Glauben und Glaubensauslegung war seiner Meinung nach für einen Normalsterblichen nicht mehr nachvollziehbar und sollte das gottgewollt sein, hätte es ihn doch sehr verwundert.
Als er über den Marktplatz schritt, ging es wie immer lebhaft zu, aber es schienen ihm heute weniger Leute an den Ständen und bei den Händlern zu sein als sonst üblich. Eine große Menschentraube drängte sich an einer Häuserwand, aus deren Mitte das rhythmische Schlagen einer Laute und der stampfende Ton einer Trommel klang, die beide vom Bellen und Heulen eines Hundes begleitet wurden.
Neugierig trat Niklas hinzu und konnte zuerst nichts Besonderes entdecken, da ihm die Sicht durch die vielen Körper versperrt war. Aber dann sah er viele entsetzte Gesichter, manche der Schaulustigen bekreuzigten sich, konnten aber ihren Blick trotzdem nicht abwenden. Nur mühsam gelang es ihm, sich nach vorne zu schieben und als er endlich in der ersten Reihe stand, hörte die Musik abrupt auf zu spielen. Was er sah, war lediglich ein leicht torkelnder Straßenköter, der offensichtlich Gleichgewichtsstörungen hatte und auf dessen Rücken ein viereckiger Lederfleck geschnallt war. Eine dunkelhäutige Frau mit langen schwarzen Haaren ging herum und sammelte die Münzen ein, die die Zuschauer in den entgegengestreckten Hut warfen.
Zigeuner, dachte Niklas und konnte sich eines gewissen Misstrauens nicht erwehren. Manche sagten, sie seien Juden, andere behaupteten, sie stammten von den Ägyptern ab. An der Verbreitung der Pest sollten sie schuld sein, als Hexer mit dem Teufel im Bunde stehen, für die Türken spionieren und kleine Kinder rauben.
Niklas ärgerte sich selbst über den in ihm aufkeimenden Argwohn und darüber, dass er menschliche Wesen, die genau so wir er sein Leben dem allmächtigen Schöpfer zu verdanken hatten, so leichtfertig nur auf Grund ihrer Andersartigkeit und seiner Unwissenheit über deren Lebensweise abzuurteilen versucht war.
Der Mann mit einem abenteuerlich aussehenden Hut, der sein verwegenes Aussehen noch betonte, warf den beiden Hunden je einen halb abgenagten Knochen hin und goss aus einem Krug etwas Wasser in einen Napf. Seine Arme waren über und über mit Tätowierungen übersät und an den Ohren der Frau glänzten große, schwere Ohrringe aus purem Gold.
»Signoras, Signores, wohlgeschätzte Damen und Herren, wir …« – er machte eine Verbeugung hin zu der Frau, die einen eingespielten glutäugigen Blick in die Menge warf – »… wir zeigen hier die größte Abrichtung von Hunden im ganzen Occidente, im ganzen Abendland. Sehen, staunen Sie, wie diese zwei ungewöhnlichen und außerordentlichen Kreatures singen und tanzen.« Mit einer Handbewegung deutete er auf die beiden Hunde. »Sie werden vielleicht glauben, es sei Magie oder Zauberei. No, no, das ist keine magische Practica,
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