Hexenhatz im Monsterland
Ziegelsteine zu glatt.
Und dann fiel ihm auf, daß das Häuschen ganz aus Schuhen errichtet war.
Gottfried Wolf war für einen oder auch zwei, vielleicht sogar drei Augenblicke sprachlos. Schuhe? Wie konnte man nur ein Haus aus Schuhen bauen? Nicht sehr beständig, war das einzige, was ihm dazu einfiel. Nun gut, ein so wackliges Haus paßte nicht schlecht in die Abendessenspläne des hungrigen Wolfes, denn wenn Gottfried sich dem kleinen Kerl zeigen würde, hätte dieser keinen sicheren Zufluchtsort, an dem er sich verbergen könnte.
Der Wolf verließ leise sein Versteck.
»Schuhe hier«, sang Tap vor sich hin, »Sandalen dort, Schuhe hier, Sandalen dort, Schuhe sind an jedem Ort… Wer bist du?«
Tap hatte den Wolf gesehen! Gottfried setzte sein freundlichstes Lächeln auf und erhob sich aus seiner Anschleichhaltung.
»Guten Tag, Herr Nachbar!« bemerkte Gottfried herzlich. »Ich dachte bei mir, ›was für ein schönes Haus!‹, und so kam ich näher, um es zu bewundern.«
Der kleine Kerl fing bei diesen Worten vor Stolz zu strahlen an. »Ja, das ist ein prächtiges Haus, nicht wahr? Es ist aus dem besten Schuhleder erbaut, das zu bekommen war.«
»Ohne Zweifel«, antwortete der Wolf, aber er blickte nicht auf das Haus, sondern auf Tap. Ja, er war sich nun vollkommen sicher. Er würde den Kleinen mit einem einzigen Bissen verschlingen. Vielleicht stippte er ihn vorher sogar noch in eine leckere Sauce. Wenn dieser kleine Kerl sich nur nicht dauernd bewegen würde!
»Was tust du da?« fragte Tap.
»Ich betrachte dein schönes Haus«, antwortete der Wolf mit unschuldiger Miene.
»Tust du nicht!« rief der kleine Kerl aus. »Du schleichst herum! Mein Freund Wuntvor hat mich vor Leuten gewarnt, die herumschleichen! Und außerdem bist du ein Wolf!«
Mit diesen Worten rannte Tap in sein Häuschen und schlug die Tür hinter sich zu.
Gottfried kicherte vor sich hin. Er war vom bisherigen Verlauf des Abendessens nicht enttäuscht – ganz im Gegenteil, denn jetzt begann der sportliche Teil, den der Wolf am meisten mochte. Er nahm seine Kappe ab, räusperte sich und sagte mit lauter Stimme:
»Laß mich rein, laß mich rein, mir ist so kalt!«
Aber Tap antwortete:
»Nicht bei den Senkeln meiner Schu-bi-du-Schuhe!«
Gottfried grinste womöglich noch breiter und fuhr fort:
»Dann huste und puste ich und blaaase dein Haus um!«
Der Wolf atmete tief, sog für mindestens eine halbe Minute die Luft in sich hinein. Dann, mit berstenden Lungen, plazierte er seine Schnauze am schwächsten Punkt und blies. Der solcherart entfesselte Sturm riß Taps Häuschen aus Schuhen ohne Schwierigkeiten um.
»Senkel und Sohle!« rief der kleine Kerl. »Was hast du getan?«
Gottfrieds Grinsen war jetzt so breit, daß man jeden einzelnen seiner langen, scharfen Zähne sehen konnte. »Ich habe nur ein kleines Hindernis aus dem Weg geräumt, damit wir uns jetzt dem ernsten Geschäft der Abendmahlzeit zuwenden können.«
»O nein, das werden wir nicht!« Und mit diesen wehrhaften Worten begann der kleine Kerl zu tanzen. Und die auf den Boden gefallenen Schuhe begannen ebenfalls zu tanzen und sprangen dabei höher und höher in die Luft. Und kommen mir näher und näher, bemerkte Gottfried besorgt. Er zog sich zurück, aber die Schuhe waren schneller. Sie sprangen um ihn herum und auf ihn herauf und bleuten ihm ordentlich den Pelz, eine erbarmungslose Masse aus Schuhleder. Der Wolf fiel zu Boden und schützte so gut wie möglich seinen Kopf.
Es schienen ihm Stunden zu sein, bis das Schuhwerk sich nicht mehr regte. Gottfried stöhnte, als er aus dem Berg von Schuhen kletterte, der ihn begraben hatte. Irgend etwas, so schien ihm, hatte sich in der Menüfolge ereignet, was seinen Plänen ganz und gar zuwiderlief. Er hatte die Geschichte vollkommen anders in Erinnerung. Er trat wütend einem besonders tückisch dreinschauenden Stiefelpaar in den Schaft und seufzte. Und dann stockte ihm der Atem, denn hinter dem Berg aus Fußbekleidung ragte ein weiterer Schuh auf, so riesig, daß bequem ein Mann oder ein Wolf darin Platz gefunden hätte.
»In der Tat«, bemerkte der Schuh.
Gottfried ließ sich nach hinten fallen und kroch hastig wieder in das lose Schuhwerk hinein. Nach einiger Zeit bekam er keine Luft mehr, aber als er vorsichtig unter einem Paar Sandalen ins Freie spähte, war von dem großen Schuh keine Spur mehr zu sehen.
Das war bestimmt eine Halluzination, versuchte Gottfried sich zu beruhigen. Das ließ sich ganz leicht
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