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Hexenjagd in Lerchenbach

Hexenjagd in Lerchenbach

Titel: Hexenjagd in Lerchenbach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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verhärmte Frau. Ihr Mann starb vor
zwei Jahren. Das heißt, er wurde tödlich überfahren. Hat ihr nichts
hinterlassen, und sie ist jetzt arm dran. Um sich und das Kind durchzubringen,
muß sie jede Arbeit annehmen, die sich bietet.“
    „War denn ihr Mann an dem Unfall
schuld?“
    „Nein. Er wurde von einem Betrunkenen
überfahren. Das hat die Polizei eindeutig geklärt. Dieser Kerl kam ins
Gefängnis. Ich glaube, er sitzt noch. Werner Schilling heißt er. Damals hat er
als Knecht auf Jochers Hof gearbeitet. Und als der Unfall geschah, saß er,
Schilling, in Jochers Wagen.“
    „Wie bitte?“ Tarzan bekam lange Ohren.
    „So war’s. Jocher hatte Schilling den
Wagen geliehen. Oder Schilling hatte ihn sich einfach genommen. So genau weiß
ich das nicht mehr. Jedenfalls — betrunken wie er war, überfuhr er des Nachts
den armen Petermann. Und beging auch noch Fahrerflucht. Festnehmen konnte die
Polizei ihn erst später — drüben auf dem Flof. Petermann hat nämlich — obwohl
tödlich verletzt — noch kurze Zeit gelebt. Er konnte sagen, welcher Wagen ihn
überfahren hat. An Jochers Auto fanden sich dann eindeutige Spuren. Wäre
Petermann sofort tot gewesen, hätte man den rücksichtslosen Täter vermutlich niemals
ertappt. Naja, und jetzt... Die beiden Hinterbliebenen sind wirklich nicht auf
Rosen gebettet. Jocher hat allerdings gezeigt, daß er gutmachen will, was sein
damaliger Knecht verschuldet hat.“
    „Wie denn das?“
    „Immerhin gibt er Frau Petermann
Arbeit.“
    „Ich denke, sie arbeitet im Wirtshaus.“
    „Aber das gehört Jocher.“
    „O je! Der ist wohl wirklich der
Reichste hier.“
    „Ihm gehört auch das Baugeschäft.
Außerdem ist er abonniert (etwas ständig bekommen) auf das
Bürgermeisteramt.“
    „Was für einen Wagen fährt Jocher
eigentlich?“
    „Immer den dicksten und neuesten
Mercedes. Seine Frau hat einen BMW. Und Harry fährt Porsche. Und sobald Max 18
ist, steht — da möchte ich wetten — Auto Numero vier im Jocherschen Stall.“
    „Ein richtiger Fuhrpark“, staunte
Tarzan. „Und jedes Familienmitglied braust mal mit diesem und mal mit jenem
fahrbaren Untersatz los, nicht wahr?“
    „Aber die doch nicht, Tarzan. Da sind
die eigen. Da gibt keiner was her. Eher würden die sich prügeln.“
    „Soso! Sie würden also sagen, der alte
Jocher behandelt seinen Brummer wie ein liebgewonnenes Unterhemd oder eine
Tabakpfeife — jedenfalls wie etwas, das man bestimmt nicht verborgt.“
    Helga nickte. „Ist albern, aber wahr!“
    „Was für ein Glück für Jocher“, meinte
Tarzan, „daß damals dieser Schilling den Wagen fuhr und nicht der Chef. Scheint
ja ein richtiges Sonntagskind zu sein, der alte Jocher.“
    Verdutzt sah Helga ihn an.
    Zu einer Erwiderung kam es nicht mehr,
denn Bärbel, die in diesem Moment zu ihnen trat, hatte die letzten Worte
gehört.
    „Ich bin auch ein Sonntagskind“, rief
sie.
    „Ist ja toll.“ Tarzan lächelte. „Und an
welchem Tag hast du Geburtstag?“
    „Am 29. August.“
    „Dann wirst du ja bald ein Jahr älter.“
    Bärbel sagte, sie freue sich schon sehr
auf ihren Geburtstag, aber jetzt müsse sie heim. Sie bedankte sich bei Helga
und meinte: „Jetzt glaube ich auch: Du bist bestimmt keine Hexe. Aber warum
sagen die andern das?“
    Ernst erwiderte Helga: „Weißt du — es
gibt hier jemanden im Dorf, der mich nicht leiden kann. Der erzählt Lügen über
mich. Und leider glauben ihm viele.“
    „Ich nicht mehr!“ rief Bärbel. „Und ich
sage es allen.“
    Nachdem sie sich auch von den vier
Freunden und von Oskar verabschiedet hatte, hopste sie zur Straße.
    „Ihre erste Anhängerin im Dorf“, sagte
Tarzan lächelnd. „Für den Anfang, Fräulein Götze, ist das ein prima Erfolg.“

8. Ein Hirsch und 50 Ameisen
     
    Das Wirtshaus hieß ZUR POST, denn noch
im vorigen Jahrhundert war es eine Posthalterei gewesen. Um die Mittagszeit
hatte es dem Ansturm der Gäste getrotzt — und in der Küche war man den vielen
Bestellungen kaum nachgekommen. Aber jetzt, am Nachmittag, ging es in der
Gaststube ruhig zu. Der Eingang zum Saal war ohnehin mit einem quergestellten
Tisch abgesperrt, und unter dem schweren Gebälk breitete sich schläfrige Stille
aus.
    Für Ute Petermann, Bärbels Mutter,
bedeutete das freilich nicht, daß sie die schmerzenden Füße schonen konnte.
Ganz wund fühlten sie sich an — von dem vielen Gerenne. Aber draußen im
Biergarten war noch immer Betrieb und der Weg zwischen Theke und den Tischen im
Freien

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