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Hexenjagd in Lerchenbach

Hexenjagd in Lerchenbach

Titel: Hexenjagd in Lerchenbach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Blick aus ihren
Kornblumenaugen ein, unter dem er fast so rot wurde wie das Geschenk. Rasch
wandte er sich ab. Tief gebückt suchte er weiter.
    „Wo ist denn Oskar?“ fragte Gaby
plötzlich.
    Alle blickten umher. Aber der
Cockerspaniel war nicht zu sehen. Nur seine Leine baumelte von einem Ast, wohin
Gaby sie — im Glauben, der Vierbeiner werde hierbleiben — gehängt hatte.
    „Der wird doch nicht etwa wildern?“
meinte Karl.
    „Jedenfalls hat er sich klammheimlich
weggeschlichen“, sagte Klößchen. „Und der Wald ist groß. Hoffentlich müssen wir
Oskar nicht suchen.“
    „Pst!“ Tarzan hob die Hand. Dann hörten
alle das entfernte Gebell. Aber es näherte sich rasch.
    „Gott sei Dank!“ sagte Gaby. „Er kommt
zurück. Aber was hat er nur? Er belfert so aufgeregt.“
    Zweige brachen. Oskars Gebell schreckte
den ganzen Wald auf. Etwas dröhnte auf dem Boden.
    Angestrengt spähte Tarzan in die
Richtung der Geräusche. Ihm war klar, daß Oskar irgendwas anstellte. Und dann
sah er den Hirsch.
    Es war ein kapitaler Bursche, wie es in
der Jägersprache heißt. Ein riesiges Tier, ein Vierzehn- oder gar Sechzehnender.
Mit rollenden Augen trabte er heran, genau auf die Lichtung zu. Der Wind stand
günstig. Oder ungünstig — wie man’s nimmt. Jedenfalls wehte er dem Hirsch nicht
entgegen, sondern kam aus seiner Richtung, weshalb das Tier die Witterung der
Menschen nicht aufnehmen konnte. Außerdem war der König des Waldes aufgeregt.
Denn fünf Meter hinter ihm hechelte Oskar. Offenbar fühlte er sich als König
des Waldes. Er drückte auf Tempo und schien stolz darauf, daß er seinem
Frauchen dieses seltsame Vieh mit den gewaltigen Hörnern vorführen konnte.
    „Um Himmels willen!“ rief Gaby. „Der
spießt uns auf.“
    „Auf die Bäume!“ rief Tarzan. „Los,
los! Der Wald wird gefegt!“
    Er sah noch, wie Helga und Karl zu
einem hervorragenden Kletterbaum mit niedrigen Ästen sprangen. Dort
hochzuturnen, war leicht.
    Währenddessen stand Gaby unter einem
Baum, der ganz ungeeignet war. Entsetzt starrte sie zu dem Ast hinauf, der sich
reichlich einen Meter über ihrem Kopf befand.
    Warum ausgerechnet den? dachte Tarzan.
Mit einem Blick überzeugte er sich, daß erstens der Hirsch schon sehr nahe war
und zweitens kein günstiger Baum in der Nähe stand.
    Sofort packte er Gaby an den Hüften.
Ehe sie sich versah, wurde sie in die Höhe gestemmt. Sie brauchte nur
zuzugreifen. Er schob sie noch ein Stück höher, wobei er sie jetzt bei den
Beinen hielt. Dann saß sie auch schon auf dem Ast und befand sich in
Sicherheit.
    Allerdings — für zwei reichte der Ast
nicht. Er war zu dünn. Schon unter Gabys Gewicht begann er, bedrohlich zu
knirschen.
    Mit einem Hechtsprung erreichte Tarzan
den nächsten Baum. Dort spreizte sich der unterste Ast in etwa drei Meter Höhe
vom Stamm ab. Tarzan schnellte hoch, konnte ihn packen, verlängerte den Sprung
mit einem Klimmzug und hörte — schräg unter sich — wütendes Schnauben. Sofort zog
er die Beine an — und das keinen Moment zu früh.
    Unter ihm rannte der Hirsch durch. Eine
Geweihspitze stieß gegen die Sohle von Tarzans linkem Turnschuh.
    „Hilfe! Ich kann doch nicht klettern!“
quäkte Klößchen in diesem Moment. „Hilfe, der frißt mich!“
    Immer noch im Klimmzughang sah Tarzan:
Helga und Karl hockten auf ihrem Kletterbaum. Gaby saß auf ihrem Ast und hielt
sich am Stamm fest. Nur Klößchen, der dicke Tolpatsch, rannte am Rande der
Lichtung auf seinen kurzen Beinen hin und her, starrte schreckensbleich dem
Hirsch entgegen und wußte nicht, wohin.
    „Hinter die Büsche, du Trottel!“ schrie
Tarzan. „Dort sieht er dich nicht.“

    Trotz seiner Aufregung begriff Klößchen
sofort. Mit einem mächtigen Sprung verschwand er hinter einem heckendichten
Strauch. Dort kugelte er, wie Tarzan aus seiner erhöhten Position sehen konnte,
über einen Erdhügel. Krabbelnd tauchte er hinter das Versteck.
    Statt sich auf den Ast zu schwingen,
sprang Tarzan auf den Boden. Zehn Meter vor ihm überquerte der Hirsch die
Lichtung.
    Oskar hatte gerade für zwei Sekunden
Halt gemacht, um sich mit der Hinterpfote heftig am Ohr zu kratzen. So ernst
nahm er die Treibjagd offenbar nicht.
    Jedenfalls bot sich für Tarzan
Gelegenheit, den Ausreißer am Halsband zu packen.
    „Jetzt ist aber Schluß! So weit kommt
es noch, daß du den Wald aufscheuchst und wir auf den Bäumen übernachten.“
    Der Hirsch verschwand, ohne sich
umzublicken. Vielleicht glaubte er Oskar immer noch

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