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Hexenjagd in Lerchenbach

Hexenjagd in Lerchenbach

Titel: Hexenjagd in Lerchenbach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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können“, meinte
er schließlich. „Ihr Waldsee, Fräulein Götze, ist voller Tücken. Ich frage
mich, wie die Enten damit zurechtkommen — von den Fröschen mal ganz zu
schweigen.“
    „Die schwimmen, Willi. Aber was machen
wir jetzt mit dir?“ Helga überlegte. „Am besten erstmal unter die Dusche. Wir
spülen deine Sachen aus und hängen sie zum Trocknen in die Sonne. Bei der Hitze
dauert das keine Stunde. Aber womit bekleidest du dich solange?“
    Ihr fiel ein, daß im Keller noch
Kleidung ihres verstorbenen Vaters liegen müsse.
    Während Klößchen unter der Dusche laut
und mißtönend Volkslieder sang, suchte Helga nach Männerkleidung. Was sie fand,
erschien ihr wenig geeignet.
    „Tut mir ja leid“, meinte sie
verschmitzt, als sie ihm den Anzug durch einen Türspalt ins Badezimmer reichte.
„Aber sonst ist nichts da.“
    Minuten später kam er in den Garten.
Und trug abermals zur allgemeinen Heiterkeit bei.
    Helgas Vater war ein großer und
stämmiger Mann gewesen. Nur ein schwarzer Nadelstreifenanzug hatte ihn
überlebt.
    Klößchen steckte bis zu den Achseln in
der Hose. Die Gürtelschnalle saß ihm direkt unterm Hals. Trotzdem hatte er die
Hosenbeine mehrfach umgeschlagen und mit Sicherheitsnadeln festgesteckt. In
Ermangelung eines Hemdes trug er die Weste des Anzugs. Sie hing an ihm wie ein
Mantel.

    Wie ein Dressman (männliches
Mannequin — also jemand, der Herrenbekleidung vorführt) stolzierte er im
Garten auf und ab.
    „Der letzte Schrei!“ verkündete er. „Der
Anzug, der auch in zehn Jahren noch paßt.“
    Die andern klatschten Beifall und
standen, während diese „Modenschau“ abrollte, mit dem Rücken zur Straße.
    Tarzan merkte als erster, daß Klößchen
stirnrunzelnd in diese Richtung blickte, und drehte sich um.
    Ein Mann stützte die Ellbogen auf den
Zaun und betrachtete die Gruppe. Aber auf seinem Gesicht war kein Lächeln,
sondern ein bösartiger Ausdruck.
    Auch Helga hatte sich umgewandt. Tarzan
hörte, wie sie zitternd Luft holte.
    „Das... ist Harry Jocher“, flüsterte
sie.
    So also, dachte Tarzan, sieht ein
Sittlichkeitsverbrecher aus. Hm! Typisch ist das bestimmt nicht. Denn ein
typisches Aussehen gibt es dafür nicht. Die können aussehen wie jedermann,
diese Strolche. Und was in ihren kranken Gehirnen vorgeht, merken die Opfer
meist erst, wenn es zu spät ist.
    Harry Jocher war mittelgroß und
stämmig. Er wirkte älter als 26, hatte verquollene Züge, dicke Lippen und engstehende
Augen. Koteletten wuchsen ihm bis zum Kinnwinkel. Über die Kopfhaut legten sich
nur wenige Haare wie ein schmutzigbraunes Gespinnst von Spinnweben.
    Er war so gekleidet, wie man sich auf
dem Dorf zu Festtagen fein macht, und hielt eine kalte Zigarette im Mundwinkel.
    Unentwegt starrte er Helga an.
    „Den haben sie wohl früher entlassen“,
flüsterte sie. „Auch das noch. Jetzt kann ich mich auf was gefaßt machen.“
    „Wieso?“ fragte Tarzan. „Schlimmer kann
doch die Schikane nicht werden?“
    „Doch. Der Alte zerstört nur meinen
Ruf, indem er mich zur Hexe stempelt. Aber dieser Kerl hat mir damals offen
gedroht. Wenn er wieder draußen wäre, so hat er gesagt, müßte ich’s büßen.“
    Die Entfernung bis zum Zaun betrug etwa
30 Meter. Was sie leise redeten, konnte Jocher nicht verstehen. Trotzdem blieb
er, wo er war. Bösartig blieb der Blick auf Helga gerichtet. Sein Verhalten war
feindselig und herausfordernd.
    Jetzt griff er in die Tasche. Das
Feuerzeug flammte auf. Als die Zigarette brannte, paffte er. Aber nur, bis sich
ein langes Stück Glut gebildet hatte.
    Langsam nahm er die Zigarette aus dem
Mund. Über die Schulter warf er sie hinter sich. Der Wurf war genau berechnet.
Die Zigarette fiel auf die Windschutzscheibe von Helgas Wagen, rollte bis zum
Scheibenwischer und kokelte dort vor sich hin. Sicherlich sengte sie das Gummi
der Wischerblätter an.
    „Jetzt wird’s aber Zeit“, sagte Tarzan
laut, „daß ich endlich den Rasen sprenge. Jeder Halm schreit nach Wasser. Muß
ja bei der Hitze eine Qual sein.“
    Ohne Eile ging er zum Zaun, wo — nahe
der Stelle, an der Jocher stand — ein dickes Rohr mit Wasserhahn aus dem Boden
ragte. Ein langer Gartenschlauch — zum Bewässern des Rasens — war
angeschlossen.
    Tarzan lächelte Jocher freundlich an
und nickte ihm zu. Aus der Nähe sah der Kerl noch abstoßender aus. Tarzan
ergriff das Ende des aufgerollten Schlauches, stellte die Spritzdüse auf
scharfen Strahl und drehte den Hahn auf.
    Das Wasser schoß

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