Hexenkessel
an Tweed. »Wann gedenken Sie denn endlich mit dem Essen anzufangen? Dank dieser prächtigen Heizung dort bleibt es sicher noch eine Weile warm, aber es wurde immerhin schon vor fünf Minuten serviert.«
»Tatsächlich?« Tweed starrte den vor ihm stehenden Teller ungläubig an.
»Das Beweisstück befindet sich direkt unter Ihren Augen«, ulkte sie.
»Ihr Frauen verlangt immer, daß man sein Essen kochendheiß hinunterschlingt«, grollte Tweed.
»Fangen Sie einfach mal an.«
Die ganze Gesellschaft wirkte merklich gelöster, nachdem alle eine gute Mahlzeit zu sich genommen hatten. Paula trank mehr Wein, als es sonst ihre Gewohnheit war, blieb aber ziemlich nüchtern. Ihr fiel auf, daß Tweed ein wenig geistesabwesend wirkte und sich an der Unterhaltung und den Scherzen der anderen nicht beteiligte. Als der Kaffee gebracht wurde, stieß sie ihn leicht an.
»Einen Penny für Ihre Gedanken«, flüsterte sie ihm zu.
»Entschuldigen Sie. Ich weiß, ich war kein allzu unterhaltsamer Gesellschafter.«
»Das macht nichts. Was für Gedanken kreisen denn in Ihrem listigen Kopf herum?«
»Es geht um Moloch, um wen sonst. Ich denke daran, die Küste hinunter nach Black Ridge zu fahren, ihn darüber zu informieren, was bei McGees Landing geschehen ist, und seine Reaktion zu beobachten.«
»Das tun Sie auf keinen Fall alleine.« Sie wandte sich an Newman und dämpfte ihre Stimme. »Tweed beabsichtigt, heute nacht noch Moloch in Black Ridge aufzusuchen.«
»Hat er den Verstand verloren?«
»Das will ich nicht gehört haben.« Tweed lehnte sich zu Paula. »Ich bin mir sicher, daß der Mann bis tief in die Nacht hinein arbeitet. Und diesmal befindet er sich vielleicht in einer weniger gelassenen Stimmung.«
»Dann fahre ich Sie und Paula hin …«
Der Mercedes, der die Küstenstraße entlangfuhr, war mit vier Personen besetzt. Newman hatte Marler ein Zeichen gegeben und ihm von Tweeds Vorschlag berichtet, woraufhin dieser sofort bereit gewesen war, sich dem Unternehmen anzuschließen. »Mir ist ohnehin danach zumute, mal eine Nacht durchzumachen«, hatte er Tweed erklärt. Nun saß Newman hinter dem Steuer und Tweed auf dem Beifahrersitz.
Ein heftiger, böiger Wind wehte vom Pazifik herüber und drosch mit Riesenfäusten auf die Seite des Wagens ein. Mächtige Brecher rollten landwärts und brandeten gegen schroffe Felsklippen, die aus dem Wasser ragten. Die aufgewühlte See wogte um sie herum und bildete breite weiße Gischtgürtel zwischen vulkanähnlichen Geysiren, die entstanden, wenn sich die Wellen an den Klippen brachen und schäumendes Wasser meterhoch in die Luft schleuderten.
»Dort unten tobt ein Hexenkessel«, bemerkte Paula schaudernd. »Übrigens«, wandte sie sich an Tweed, »was wollen Sie eigentlich bei VB erreichen, wenn er Ihnen tatsächlich eine Unterredung gewährt?«
»Unter anderem will ich ihn fragen, ob ich mit Luis Martinez, dem Leiter seiner Wachmannschaft, über die sieben verschwundenen Mädchen sprechen kann - von denen drei immerhin schon tot aufgefunden wurden.«
»Aber Martinez ist doch selbst tot.«
»Eben«, erwiderte Tweed.
In Black Ridge herrschte helle Aufregung. Moloch, frisch rasiert, wie immer elegant gekleidet und bereit, die nächtliche Arbeit aufzunehmen, war mit dem Hubschrauber vom AMBECO-Gebäude zurückgekommen. In seinem Büro wurde er bereits von Joel Brand erwartet, der ihm den Mantel abnahm.
»Gab es während meiner Abwesenheit Ärger?« fragte Moloch, als er den finsteren Gesichtsausdruck seines Stellvertreters bemerkte.
»Großen Ärger sogar. Martinez ist verschwunden, und mit ihm eine halbe Million Dollar aus dem Safe.«
»Aha.« Moloch ließ sich hinter seinem Schreibtisch nieder. »Und du meinst, die beiden Vorfälle hängen zusammen?«
»Wie sollte es anders sein?«
»Laß uns einmal logisch vorgehen.« Moloch zählte an seinen Fingern ab. »Vier Personen haben Zugang zu dem Safe und kennen die Kombination. Du, Martinez, Byron Landis und ich selbst. Da ich weiß, daß ich unschuldig bin, bleiben noch drei Verdächtige übrig.«
»Wie kommen Sie dazu, mich mit einzubeziehen?« fuhr Brand wütend auf. »Ich bin schließlich derjenige, der Ihnen den Diebstahl gemeldet hat.«
»Und es kommt häufig vor, wie dir jeder Polizist bestätigen wird, daß derjenige, der einen großangelegten Diebstahl entdeckt - oder die Leiche, wenn ein Mord begangen wurde - selbst der Schuldige ist.«
»Das brauche ich mir nicht gefallen zu lassen!« brüllte
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