Hexenkessel
richtete kurz seine Lampe darauf.
»Das ist der Pfeiffer Creek. Fließt vom Sycamore Canyon auf der anderen Seite des Highway hier herunter.«
Sie mußten sich beeilen. Tweed marschierte jetzt mit großen Schritten voran. Paula, die sich immer wieder umsah, dachte, daß diese Bucht eigentlich ein bezauberndes Fleckchen Erde wäre, wenn sie nicht gewußt hätte, was sie erwartete. Am Strand erwartete sie feiner weicher Sand, der das Gehen erheblich erschwerte. Alvarez knipste seine Taschenlampe aus, weil das Mondlicht ausreichte, um die bizarre Szenerie zu beleuchten, die sich ihren Augen darbot. Paula schnappte unwillkürlich nach Luft.
Genau hinter der Gezeitenmarke ragten mächtige Felsbrocken fast senkrecht aus dem Meer empor; Felsen, die von natürlichen Bögen unterbrochen wurden, durch die die Wellen gurgelnd hindurchströmten und sich am Strand brachen. Heftige Windböen rissen sie beinahe von den Füßen. Tweed, dessen Mantel ihm um den Leib flatterte, wies auf das Wasser, und in Paula stieg eine Kälte auf, die nichts mit dem eisigen Wind zu tun hatte, der über Pfeiffer Beach strich und den feinen Sand in Schwaden über den Strand trieb.
Eine hohe Welle, die auf die Küste zurollte, trug auf ihrem Kamm den Leichnam, den sie vom Auto aus gesehen hatte. Samt ihrem toten Passagier strömte sie durch einen der Bögen, wobei der tote Körper die scharfkantigen Felsen zu beiden Seiten des Durchgangs nur um Haaresbreite verfehlte. Die grausige Szene erreichte ihren Höhepunkt, als die riesige Welle sich schäumend am Ufer brach und ihre Last in hohem Bogen auf den Strand schleuderte.
Alvarez, der sich ein Taschentuch über Nase und Mund gebunden hatte, rannte los. Im Laufen bedeutete er Newman, dieselben Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, und warf ihm ein Paar Chirurgenhandschuhe zu. Er selbst trug bereits solche Handschuhe. Gemeinsam zerrten sie den aufgedunsenen Leichnam höher auf den Strand. Newman kam es so vor, als würde er Tonnen wiegen, obgleich der Mann, den sie gerade außerhalb der Reichweite der schäumenden See brachten, zu Lebzeiten eher schlank gewesen war. Alvarez richtete den Strahl der Taschenlampe auf das Gesicht des auf dem Rücken liegenden Toten. Paula unterdrückte einen entsetzten Aufschrei. Sie blickte auf die Leiche von Luis Martinez hinab.
»Vorsichtig!« schrie Tweed ihr zu. »Es könnte Infektionsgefahr bestehen.«
Alvarez wühlte in seiner großen Leinentasche und brachte eine Plastikrolle zum Vorschein, die er auf dem Strand ausbreitete. Sie entpuppte sich als Leichensack. Newman und Alvarez legten den Leichnam in den Plastiksack, dessen Reißverschluß Alvarez sofort bis obenhin zuzog. Es war eine schwierige Aufgabe, und Newman atmete schwer, als er Alvarez’ Beispiel folgte, die Handschuhe abstreifte und dann ins Wasser warf. Beide Männer wuschen sich gründlich die Hände und rieben sie mit Sand ab, ehe sie ihren provisorischen Mundschutz abnahmen und den Handschuhen hinterherwarfen.
Alvarez ging zu Tweed hinüber, der mit Paula und Marler etwas abseits stand und abwartete. Auch sein Atem ging schwer.
»Es ist Martinez, der Leiter der Wachmannschaft von Black Ridge, der Mann, der von Nield und Paula erschossen wurde. Geben Sie mir Ihre Handfeuerwaffen«, fuhr er fort, als Nield zu ihnen trat. »Irgendwer hat später noch mit einem Gewehr auf ihn gefeuert, aber es besteht die Möglichkeit, daß die Ballistiker trotzdem die Projektile Ihrer Waffen identifizieren können.«
Nachdem Paula und Nield ihm ihre Waffen ausgehändigt hatten, ging Alvarez zum Wasser hinunter und schleuderte beide weit hinter den Felsen ins Meer. Als er zurückkam, hatte Marler Paula bereits einen weiteren Browning und Nield eine Smith & Wesson überreicht - Waffen, die er aus seiner unerschöpflich erscheinenden Reisetasche geholt hatte. Er gab ihnen auch genügend Reservemunition.
»Sie haben anscheinend in San Francisco einen Großeinkauf getätigt!« rief Paula laut, um den Wind zu übertönen.
»Und einen Haufen Geld ausgegeben.« Marler grinste. »Man kann nie wissen, ob es sich nicht einmal auszahlt, gewisse Dinge in Reserve zu haben.«
»Dort, wo ich Ihre Waffen ins Wasser geworfen habe, ist der Pazifik schon sehr tief«, teilte Alvarez ihnen mit. »Nun müssen wir noch diesen Sack zum Wagen schaffen und im Kofferraum verstauen. Das wird ein hartes Stück Arbeit …«
Es bereitete den Männern tatsächlich große Schwierigkeiten, die grausige Last zum Parkplatz zu transportieren. Tweed
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