Hexenkessel
nannte.
Tweed hatte noch eine weitere Vorsichtsmaßnahme getroffen, ehe er sich in das Apartment wagte. Während seines Rundgangs um den Block war ihm ein ungewöhnliches Schild aufgefallen, das zu einem der vielen ausgefallenen und bizarren Geschäfte von Carmel gehörte. Darauf prangte eine große, nach unten gebogene Holzpfeife; ganz ähnlich der, die in Sherlock Holmes’ Mundwinkel zu kleben pflegte.
Er hatte den winzigen Laden betreten und eine Blechschachtel mit Zigarren erstanden. Draußen hatte er dann die Zigarren in einem Mülleimer deponiert, den Deckel abgerissen und eingesteckt und den Rest der Dose gleichfalls fortgeworfen.
Tweed trug stets Handschuhe in der Manteltasche bei sich. Drinnen im Apartment hatte er einen davon hervorgeholt, und den blechernen Deckel so hineingeschoben, daß er in seiner Handfläche ruhte. Den Handschuh trug er nun an seiner linken Hand, da er sehr wohl wußte, daß nur der feinmaschige Metallkragen um Paulas Hals sie damals davor bewahrt hatte, erdrosselt zu werden. Das dünne Blech war zwar nur ein armseliger Ersatz für einen widerstandsfähigen Kragen, aber immerhin besser als nichts. Die linke Hand lag nun still auf seinem Schoß - die ungeschützte rechte brauchte er für die Walther.
Die Zeit tröpfelte dahin. Nichts geschah. Tweed wartete geduldig ab.
Newman hatte Tweeds Vorschlag befolgt und lange geschlafen. Als er endlich erwachte, nahm er eine Dusche, rasierte sich gründlich, kleidete sich an und ging über den Flur zu Roy’s, um ausgiebig zu frühstücken.
Zu seiner Verwunderung sah er Butler in der Halle auf einer Couch sitzen. Er ließ sich neben ihm nieder und stellte ihm leise eine Frage.
»Ich dachte, Sie würden den Mercedes bewachen?«
»Hab’ ich auch. Tweed kam aus dem Hotel und fuhr alleine mit dem BMW weg. Dann erschien Paula auf der Bildfläche, und als ich ihr von Tweeds Aufbruch erzählte, schnappte sie sich den Mercedes und brauste davon. Ebenfalls alleine.«
»Alleine?« Newman mußte an sich halten, um nicht ausfallend zu werden. »Warum sind Sie denn nicht mitgefahren? Haben Sie den Verstand verloren, sie allein auf Tour gehen zu lassen?«
»Sie bestand darauf, allein zu fahren. Versuchen Sie doch mal, mit Paula zu diskutieren, wenn sie einen Entschluß gefaßt hat. Ach ja, Tweed hat sich außerdem noch eine Walther von mir geborgt.«
»Eine Walther? Das wird ja immer schöner! Was hatte Tweed vor? Und wo wollte Paula mit dem Mercedes hin?«
»Weiß ich nicht«, erwiderte Butler beleidigt. »Keiner von beiden hielt es für nötig, mir etwas zu sagen, was ich ziemlich merkwürdig fand. Aber es ist Zeitverschwendung, sich mit Tweed oder Paula herumzustreiten, wenn die sich etwas in den Kopf gesetzt haben.«
»Damit ich Sie richtig verstehe«, fauchte Newman, »lassen Sie mich eines klarstellen: Zuerst ist also Tweed in dem BMW weggefahren - nachdem er sich von Ihnen eine Walther hat geben lassen. Danach kommt auf einmal Paula an, nimmt sich den Mercedes und fährt gleichfalls zu einem unbekannten Ziel. Ist das soweit richtig?«
»Goldrichtig. Was hätte ich denn tun sollen?« setzte sich Butler aufgebracht zur Wehr.
»Und Sie wissen wirklich nicht, wo die beiden hinwollten? Sie sind unabhängig voneinander losgefahren?«
»Genauso war es.«
Angst überkam Newman, während er versuchte, sich zu entscheiden. Eine Engländerin, mit der er sich auf Grenvilles Party kurz unterhalten hatte, blieb stehen, um ein paar Worte mit ihm zu wechseln. Er erhob sich.
»Haben Sie die neuesten Gerüchte schon gehört? Sehr merkwürdig, finde ich.«
»Was denn für Gerüchte?« erkundigte er sich höflich.
»Ihr Boß, Mr. Tweed, soll losgegangen sein, um das Standish-Apartment zu besichtigen. Sie wissen doch, da wurde diese unglückliche Privatdetektivin ermordet. Mir kommt die Idee ja reichlich makaber vor, wenn ich das einmal so sagen darf, aber …«
»Würden Sie mir wohl einen großen Gefallen tun?« unterbrach Newman den Redeschwall. »Besitzen Sie ein Auto, das ich mir ausborgen könnte? Meines springt nicht an, und ein Freund von mir ist plötzlich erkrankt.«
»Selbstverständlich. Kommen Sie mit. Mein Cadillac steht auf dem Parkplatz. Hier sind die Schlüssel. Es ist doch hoffentlich nichts Ernstes?«
»Ich weiß es nicht, deswegen will ich ihn ja schnellstmöglich besuchen.«
Die Engländerin verlor keine Zeit. Ohne ihn mit weiteren Fragen zu behelligen, führte sie Newman zu einem cremefarbenen Cadillac. Er bedankte sich
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