Hexenkessel
Keller und hole eine Flasche Wein. Ach ja, und eine Thermoskanne mit heißem Kaffee wäre auch nicht schlecht.«
»So, finden Sie? Sind Sie sicher, daß Sie nicht auch noch Kaviar wollen? Und ehe Sie mir mit diesem Korb auf- und davongehen: Ich nehme meine Anweisungen nur von Mr. Moloch persönlich entgegen.«
»Mr. Moloch persönlich hat mir aufgetragen, Sie zu bitten, ein Picknick zusammenzupacken. Er ist ein vielbeschäftigter Mann. Wir wollen ihn doch nicht unnötig aufregen, nicht wahr?«
»Haben Sie etwa vor, sich hier als Haushälterin aufzuspielen?«
»Ich könnte diesen Job vermutlich nicht halb so gut bewältigen wie Sie. Mir ist aufgefallen, wie schön die antiken Möbel poliert worden sind. Sie halten das Haus wirklich ausgezeichnet in Ordnung, Mrs. Drayton.«
»Schmeichelei, nichts als billige Schmeichelei …«
Trotz des Gebrummels nahm Mrs. Drayton bereits einen Laib Brot aus dem großen Kühlschrank. Heather verließ die Küche, um eine Flasche Wein aus dem Keller zu holen. Moloch hatte sie zwar nicht gebeten, einen Imbiß herzurichten, aber ihr schwante, daß sie einige Zeit am Hafen würden warten müssen. Obgleich Moloch gesagt hatte, daß ein Motorboot zur Verfügung stünde, vermutete Heather, daß man es erst von der Venetia anfordern mußte. Seine Abreise vollzog sich in solcher Heimlichkeit, daß er wohl nicht riskieren würde, sich durch ein im Hafen bereitliegendes Boot zu verraten.
Die steinernen Stufen, die in den Keller hinabführten, waren in einem miserablen Zustand. Sie konnte keinen Lichtschalter entdecken, daher knipste sie die Taschenlampe an, die sie stets in ihrer Umhängetasche mit sich führte. Unten fand sie zwei Weinflaschen, von denen sie annahm, daß sie Moloch zusagen würden, einen Weißwein und einen Rotwein. Beide im Arm haltend hatte sie schon fast das obere Ende der Treppe erreicht, als sie plötzlich ausrutschte und den Halt verlor. Die Weinflaschen entglitten ihr, als sie nach dem Geländer griff, es jedoch verfehlte. Ihr Körper beschrieb eine Drehung um hundertachtzig Grad, sie fiel die Treppe herunter, und als sie versuchte, sich aufzurappeln, schoß ein scharfer Schmerz durch ihren Knöchel.
»Mrs. Drayton!« rief sie laut. »Mrs. Drayton! Hier, im Weinkeller!«
»Was ist denn passiert?«
Es war Molochs Stimme. Er schaltete das Licht ein, untersuchte ihr Bein und befahl ihr, still liegenzubleiben, während er den Arzt verständigen würde. Eine Viertelstunde später traf Dr. Brasenose ein. Er war zwar nicht sonderlich begeistert davon, mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen zu werden, aber die Verheißung eines satten Honorars von zweihundert Pfund wog diese Unannehmlichkeit wieder auf.
»Ich habe sie erst einmal geschient«, erklärte er Moloch später, wobei er der Couch, auf die er seine Patientin gebettet hatte, einen vielsagenden Blick zuwarf. »Ein glatter Bruch - zum Glück keine schwere Sache. Aber sie braucht Ruhe und Pflege, am besten in einem Privatkrankenhaus. Ich kann die Überstellung sofort veranlassen.«
»Wie lange muß ich dortbleiben?« fragte Heather, aschfahl im Gesicht.
»Mindestens zwei Wochen. Näheres kann ich erst sagen, wenn ich sehe, welche Fortschritte Ihre Genesung macht.«
»Aber ich muß eine Auslandsreise antreten!«
»Erst wenn Sie wieder vollkommen gesund sind.«
»So ungern ich es auch tue, ich muß dem Arzt recht geben«, entschied Moloch. »Wenn Sie wieder auf dem Damm sind, Heather, können Sie ja nachkommen.« Er runzelte die Stirn, um sie daran zu hindern, ihr Ziel zu verraten. »Der Rolls bringt Sie dann nach Heathrow. Ich werde ein Ticket Erster Klasse für sie hinterlegen. Und jetzt, Brasenose, sorgen Sie dafür, daß sie unverzüglich in eine Privatklinik gebracht wird.«
Moloch bedauerte, während der Reise auf ihre Gesellschaft verzichten zu müssen, aber wie immer handelte er pragmatisch.
»Machen Sie sich keine Sorgen«, tröstete er sie. »Ich kann sehr wohl selbst nach London fahren.«
Wie schon früher bewunderte Heather auch jetzt Molochs Geistesgegenwart. Wohlweislich hatte er in Anwesenheit des Arztes ein falsches Ziel angegeben.
Nach einem raschen Blick auf die Uhr verließ Moloch den Raum, eilte nach oben, streifte den schäbigen Regenmantel über und setzte die karierte Schirmmütze auf. Noch einmal blickte er in den Spiegel, um seine Erscheinung zu überprüfen.
»Du siehst in diesem Aufzug wie ein ganz gewöhnlicher Seemann aus«, sagte er halblaut zu sich selbst. »Sollte der
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