Hexenkessel
Mitternacht.«
»Wenn Sie zu Bett gehen wollen, tun Sie sich keinen Zwang an«, sagte Tweed freundlich. »Dann gehe ich nach unten auf die Terrasse.«
»Ich bin überhaupt nicht müde. Außerdem möchte ich gerne wissen, was Newman und Vanity gerade treiben.«
»Darüber sollten Sie noch nicht einmal nachdenken.«
Er hatte gerade zu Ende gesprochen, als es an der Tür klopfte. Paula öffnete, sah sich Newman gegenüber und forderte ihn auf, einzutreten.
»Kommen Sie rein. Wir schieben gerade Nachtwache.«
Newman grinste ihr zu und ging dann zu Tweed hinüber. Er nahm das Fernglas, das dieser ihm reichte, und musterte die Venetia vom Bug bis zum Heck.
»Ich würde sagen, da braut sich etwas zusammen«, bemerkte er ahnungsvoll.
»Was ist denn los?« rief Paula und ging zum Fenster.
»Sehen Sie doch selbst. Das Deck wimmelt von Besatzungsmitgliedern. Um diese Zeit läßt das Böses ahnen.«
»Sie wuseln herum wie die Ameisen«, stimmte Paula zu. »Kommt mir vor, als würden sie das Schiff zum Ablegen klarmachen.«
»Wir brauchen einen besseren Aussichtspunkt«, entschied Tweed. »Bob, ich möchte, daß Sie mich an die Küste bringen. Sie können bei dem großen Hotel mit Meerblick parken. Aber wir müssen uns beeilen.«
»Warten Sie auf mich«, sagte Paula, die rasch in ihren Pelzmantel schlüpfte. »Am Wasser ist es bestimmt ziemlich kühl.«
Die Tür des Hotels zu öffnen erwies sich als so schwierig wie das Knacken eines Geheimcodes. Newman manipulierte so lange erfolglos an dem Schloß herum, daß Paula schließlich eingriff.
»Lassen Sie mich das machen. Bei unserem letzten Aufenthalt hier habe ich gesehen, wie der Besitzer die Tür verschloß. Er zeigte mir auch, wie man sie wieder öffnet.«
Innerhalb kürzester Zeit war die Tür offen, und die kleine Gruppe rannte zu Newmans Wagen. Tweed setzte sich auf den Beifahrersitz, Paula in den Fond. Newman ließ den Motor einmal aufheulen, bevor er zurücksetzte und die Auffahrt hinunterschoß.
»Jetzt haben Sie bestimmt das ganze Hotel aufgeweckt«, schalt Paula ihn.
»Die Menschen verschlafen ohnehin einen viel zu großen Teil ihres Lebens«, erwiderte er ungerührt.
Tweed saß schweigend da, während sie den Hügel hinabfuhren, vorbei an dem Moorland zu ihrer Linken. Nach wenigen Minuten hatten sie die Küste erreicht. Newman parkte bei dem von Tweed erwähnten großen Hotel.
»Wie Sie sehen«, erklärte Tweed, als sie alle am Wasser standen, »hat man von hier aus einen hervorragenden Rundumblick.«
Paula mußte ihm beipflichten. Sie blickten auf eine See hinaus, die so glatt war wie der sprichwörtliche Spiegel. Gegenstand ihrer Aufmerksamkeit war die große, hell erleuchtete Jacht, die auf dem Wasser dümpelte.
»Ich warte darauf, daß ein Beiboot das Schiff verläßt, um Moloch vom Hafen abzuholen«, sagte Tweed. »Es sei denn, das ist während unserer Fahrt hierher schon geschehen.«
»Ich glaube nicht, daß wir irgend etwas verpaßt haben«, meinte Paula. »Bob ist ja wie wild durch die Stadt gerast. Er muß gedacht haben, er nimmt am Grand Prix teil.«
»Das hab’ ich tatsächlich einmal gemacht«, erwiderte Newman. »Wurde sogar Achter. Man muß immer in Übung bleiben, wenn man seine Form halten will. Schauen Sie sich Marler an, der verbringt jede freie Minute auf dem Schießstand in Surrey.«
»Apropos Marler - wo steckt der eigentlich?« wollte Paula wissen.
»Vermutlich streunt er irgendwo in der Gegend herum«, antwortete Tweed.
»Und mit Sicherheit tut er das in Ihrem Auftrag.«
Ebenso wie Tweed rechnete auch Marler damit, daß man ein Beiboot von der Venetia losschicken würde, um Moloch an Bord zu holen, immer vorausgesetzt, dieser plante wirklich, noch heute nacht Falmouth zu verlassen.
Da er vorausgesehen hatte, daß die Nacht kühl werden könnte, trug er mehrere Pullover übereinander unter seiner Ölhaut. Trotzdem begannen ihm die Finger in den dikken Handschuhen langsam abzusterben. Von Zeit zu Zeit streifte er daher die Handschuhe ab und schloß die Hände um eine der Thermosflaschen mit Kaffee, die er mitgebracht hatte, ehe er einen Schluck von dem heißen Kaffee trank.
Währenddessen behielt er das Deck der Venetia im Auge. Gleich Newman, hatte auch er die Aktivität dort bemerkt. Um sich nicht dem Risiko auszusetzen, entdeckt zu werden, hatte er der Versuchung widerstanden, seinen Feldstecher zu benutzen. Er konnte sich denken, daß die Männer an Bord die Küste mit starken Ferngläsern absuchten, um
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