Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
Verwandten verstehe. Da sie darauf nicht antwortete, stattdessen ihre Lider senkte, setzte er vorsichtig nach: "Auch nicht mit deiner Mutter?"
Darauf reagierte sie: "Wieder, Leonardo, nach mehreren Jahren endlich wieder. Von ihr war ich seinerzeit noch mehr enttäuscht als von Vater und alles wegen dieser leidigen Erbgeschichte. No, es war um noch mehr gegangen, aber jetzt ist zwischen Mutter und mir alles bereinigt."
Leonardo hatte mitfühlend zugehört und berichtete Lucia nun, in seiner väterlichen Familie hätten ebenfalls über Jahre Auseinandersetzungen gewütet. Er, Lukas, wisse ja, dass seine Eltern beide nach seiner Geburt anderweitig geheiratet hätten. Jedenfalls hätte es sich ebenfalls um Erbangelegenheiten gehandelt, um die Hinterlassenschaft seiner Großeltern, die sein Vater, ein Jurist, nicht in ihrem Sinne habe verteilen wollen. Doch inzwischen seien diese Unstimmigkeiten beigelegt.
Diese Parallele zu Lucias Situation animierte sie, Leonardo mehr darüber anzuvertrauen: "Bei mir liegen die Dinge ähnlich, Leonardo. In meinem Fall hat mein Großvater mütterlicherseits sein Testament zu meinem Gunsten abgeändert, und nachdem er vor vier Jahren gestorben ist, hat mein Vater mit juristischer Unterstützung begonnen, gegen mich vorzugehen, um mein Erbe in seine Finger zu bekommen."
"Der eigene Vater. Ich kenne das", warf Leonardo ein, bevor Lucia weiter sprach:
"Des lieben Friedens willen habe ich darauf verzichten wollen, aber Alfonso hat mich gerade noch rechtzeitig davon abgebracht."
"Ich erinnere mich, welch harte Kämpfe du deshalb an Ostern mit dir selbst ausgefochten hast. Und wie siehst du diese Angelegenheit heute?"
"Alfonso hat recht gehabt. Ich bin froh, dass ich mit seiner Hilfe seit Ostern um mein Erbe gekämpft habe, und heute kann Vater es mir nicht mehr streitig machen. Die Frage nur, ob er sich jemals damit abfinden wird."
"Gib ihm Zeit, Lukas. Denke daran, dass auch in meiner Familie wieder alles ins Lot geraten ist, wir verstehen uns inzwischen alle wieder ausgezeichnet. Weißt du, selbst der verstockteste Vater kann irgendwann seinen Verstand zurückfinden, vertraue einfach darauf."
Das verlieh Lucia neuen Mut, und in dieser Verfassung gestand sie ihm: "Leonardo, meine Eltern glauben, ich studiere an einer Kunstschule in der Nähe von Belleville."
"Verstehe, eine unumgängliche Notlüge. Aber in meinem Haus bist du sicherer aufgehoben als sonst wo."
"Grazie!", brachte sie mit einem ungewollten Seufzer heraus.
Darauf hob Leonardo sein Glas an und bat sie: "Tu mir den Gefallen und nimm einen herzhaften Schluck mit mir, damit der Glanz in deine Augen zurückkehrt."
Den Gefallen erwies sie ihm gerne, und da sie sich durch das aufklärende Gespräch ohnedies befreiter fühlte, war es für die kecken Weingeister nun ein Leichtes, ihre Stimmung zu beleben.
So entspann sich auch unversehens eine heitere Plauderei zwischen ihnen. Leonardo erzählte ihr ergötzende Geschichten von seinen vielen Halbgeschwistern, von denen, wegen der jungen Gattin seines Vaters, sieben jünger waren als Salai. Und Lucia erzählte frühere Begebenheiten, die sie mit ihrem einzigen Bruder erlebt hatte und berichtete ihm auch, dass Justus die Mechanik kralle und nicht die Alchimie im Farblabor, der er am liebsten den Rücken zukehren wolle.
Schließlich prostete Leonardo Lucia erneut zu: "Lass uns nochmal auf Claire und Alfonso trinken."
"Si, viel Glück den beiden!"
Diese Aufforderung verstand Lucia als Wink zum Verabschieden, weshalb sie sich, nachdem sie die Gläser wieder abgestellt hatten, erhob. Leonardo erhob sich ebenfalls, wobei es ihm erschreckt entfuhr: "Aber was denn, du willst mich schon verlassen?"
Nun musste sie dabei bleiben, trat auf die Tür zu und gab kokett zurück: "Wie schmeichelhaft, dass du das bedauerst."
Er ging auf ihren Ton nicht ein, stattdessen bat er sie, plötzlich ernst geworden: "Warte noch, lass mich dir eins heute sagen."
Sie verhielt ihren Schritt, er seinen ebenfalls, und dann bekannte er ihr mit tiefgehendem Blick: "Lukas, vor mir kannst du nicht verbergen, welch großes Risiko du für deine Kunstausbildung auf dich nimmst. Dafür habe ich dich vom ersten Tag an bewundert. Und sei gewiss, dass du meine uneingeschränkte Unterstützung hast, was immer geschehen mag. Du stehst also nicht alleine da."
Diese unerwartete Eröffnung ließ alles in Lucia erstarren. Auch ihren Verstand. Nur allmählich breitete sich dann wieder Leben in ihr aus, und ihre Beine führten sie zur
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