Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)

Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roswitha Hedrun
Vom Netzwerk:
Tür. Dort angelangt, griff Leonardo zur Klinke, öffnete ihr die Tür und sagte behutsam: "Ich begleite dich besser nicht die Treppe hinauf, wegen unserer Mitbewohner. - Oder?"
Da sich auch ihre Stimme wieder eingefunden hatte, konnte sie ihm antworten: "Si, besser so. Buona notte, Leonardo!"
"Dir auch, Lukas, und schlaf schön!"

    Leonardo wusste also, dass sie eine Jungfer war, hatte es vom ersten Tag an gewusst. Diese Neuigkeit beflügelte Lucia am nächsten Morgen, während sie sich am Toilettentisch herrichtete. Endlich stand nichts mehr zwischen ihnen, sie musste ihm nichts mehr vorspielen, kann ihn künftig frei anschauen und wenn sie alleine sind, ungezwungen mit ihm reden. Leonardo gefällt eine lockere Frisur besser an mir? Dann lass ich mein Haar doch so, entschied sie, als sie sich kämmte. Doch im nächsten Moment wies sie sich zurecht - nur jetzt keinen Leichtsinn. Also drückte sie ihre Locken mit etwas Frisiercreme wieder an. Nein, entschied sie dann, so fest nun auch wieder nicht, ein wenig abstehen dürfen sie schon, vielleicht sogar jeden Tag etwas mehr. Und die Augenbrauen? Nicht gar so buschig zurecht schminken? Doch, das muss sein. Leider.
Wie jeden Morgen war Lucia dann wieder die erste im Malatelier und Leonardo, seit die Geländer verankert wurden, der erste im Hof. Carlo kam selten rechtzeitig aus dem Bett, Nicola richtete sich nach ihm, Bernardino und Giovanni trafen meist erst kurz vor dem Frühstück ein, und die drei Gastkünstler, wenn überhaupt, erst im Laufe des Vormittags.
Wie sich Lucia jetzt im Atelier nach Arbeit umsah, entdeckte sie auf ihrer Arbeitsplatte eine Vase mit Blumen - von Leonardo? Beim näher Treten erkannte sie, dass es Rosen aus dem Hofgarten waren, und an der Vase lehnte ein kleiner Brief mit Leonardos Geheimschrift. Sie entzifferte ihn: 'Grazie für den wundervollen Abend, und ich bin sicher, du verstehst die Allegorie dieses Grußes.'
Leonardo, wie bist du lieb!
Der Strauß bestand aus sieben Rosen - zwei weiße, die Reinheit, vier goldgelbe, Seelenliebe, und eine kleine rote. Sie verstand, so sah es in Leonardos Herzen aus, solch reine Gefühle hegte er für sie. Dabei nicht zu übersehen die rote Rose, die allerdings eher als Knospe zu bezeichnen war und auch nur soeben über den Vasenrand hinausschaute. Aufknospende irdische Liebe? Darüber wollte Lucia nicht nachdenken. Sie gab sich lieber dem Gesamtarrangement hin und gewann bald den Eindruck, jede Rose lache sie an. Jede einzelne hatte er in der Frühe sorgfältig für sie ausgewählt, dann gepflückt und schließlich zu diesem sprechenden Arrangement zusammengefügt. Kein Wunder, dass ihr beim Anblick dieses Straußes das Herz aufging, er hatte damit seine Gefühle vor ihr ausgebreitet, und sie waren es, die sie anlachten.
Wäre Leonardo allerdings sich selbst gegenüber ehrlicher gewesen, hätte er als Symbol seiner irdischen Liebe zu Lucia keine Knospe, sondern eine voll erblühte rote Rose wählen müssen. Doch gegen diese ihn selbst ebenso verwirrende wie erschreckende Tatsache kämpfte er an, er bemühte sich, sie zu ignorieren. Dennoch drückte der Blütenstrauß, bis auf jene kleine Vernebelung, seine wahre Empfindung für Lucia aus.
Nun fuhr Lucia zusammen, sie hörte jemanden über den Korridor zum Atelier kommen und steckte rasch Leonardos kleinen Brief in die Tasche. Die Rosen waren nicht verräterisch, die konnte sie selbst gepflückt haben, da sie schon mehrmals Blumen im Atelier verteilt hatte. Die Tür ging auf, Nicola trat ein und fragte, ob es hier etwas für ihn zu tun gebe.
"No", sagte ihm Lucia, "dafür draußen bei Maestro Leonardo umso mehr, er steht reichlich unter Druck."
"Va bene."
Dass die beiden Künstler und Carlo noch nicht zur Stelle waren, empörte Lucia, sie wussten schließlich, wie sehr es Leonardo pressierte, die Treppen fertig zu bekommen, da er anschließend den Transport des großen Gemäldes nach Padua begleiten muss. Die Stützpfeiler auf den Treppen waren inzwischen verankert, ebenso vorne die vier kunstvollen Figuren, und jetzt wurden die Geländer darauf befestigt, was höchste Präzision erforderte, die ohne einen Baumeister nicht gewährleistet war.
Zur Frühstückszeit, als endlich Bernardino, Giovanni und Carlo eingetrudelt waren, begegnete Lucia vor dem Blockhaus Leonardo. "Grazie!", drückte sie ihm mit einem Lächeln aus, da sie nicht alleine waren, und er zwinkerte als Antwort unauffällig zurück. Fortan vermieden sie jeden Blick- und Sprechkontakt.

Weitere Kostenlose Bücher