Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
angehört", fuhr er fort, "sondern ihn aus meinem Haus verwiesen. Unter diesen Umständen, Fräulein de Belleville, bin ich eventuell bereit, meine frühere Position wieder einzunehmen. Dazu müsste ich allerdings Näheres über die derzeitige Situation des Werkes erfahren, und es bedarf zuvor eines klärenden Gesprächs zwischen Eurem Herrn Vater und mir."
"Sollt Ihr beides bekommen", ging Lucia glücklich darauf ein und bat Frau Leitner, die ihnen gerade Wein, Quellwasser und Kleingebäck servierte, Meister Rodder herbeordern zu lassen.
"So verschmutzt, wie er momentan ist, kann er hier wohl nicht erscheinen", gab sie zu bedenken, worauf Lucia ihr sagte, er habe genügend Zeit, sich frisch herzurichten.
"Sehr wohl, Fräulein."
Herr von Lasbeck sah Lucia stutzig an - Meister Rodder verschmutzt? Was Lucia zum Anlass nahm, ihm kurz den Grund für diesen Umstand darzulegen. Danach holte sie weiter aus und schilderte ihm in verständlicher Reihenfolge, was sich hier seit seinem Austritt vor einem Jahr bis zum heutigen Tag zugetragen hatte, wobei der Bericht über die letzten zwei Wochen die längste Zeit beanspruchte. Herr von Lasbeck war immer nachdenklicher geworden, auch wenn sein Blick gegen Ende mitunter kurz aufgeleuchtet hatte, und nun äußerte er sich dazu in seiner direkten Art: "Dann habt Ihr in erstaunlich kurzer Zeit das nachgeholt, was Ihr bis dahin versäumt hattet. Fräulein de Belleville, ich habe nie verstehen können, weshalb Ihr das Werk, das Euch Euer Herr Großvater doch mit uneingeschränkt allen Rechten vererbt hatte, im Stich gelassen habt. Ihr konntet doch abschätzen, dass Euer Herr Vater es zugrunde richten würde. Hättet Ihr an seiner Stelle mich als Euren Vertreter bestimmt, dann wäre dem Werk dieser Schaden erspart geblieben."
"Unsere Erbangelegenheit befand sich seinerzeit noch in der Schwebe, mein Vater hielt sich für den rechtmäßigen Inhaber des Betriebes. Deshalb."
Darauf lehnte sich Herr von Lasbeck in seinem Ledersessel zurück und brachte nach einer Weile nachdenklich hervor: "Dann ist sein früheres Verhalten in mancherlei Hinsicht entschuldbar. Und Euch habe ich Unrecht getan, verzeiht bitte. Jetzt aber ist juristisch besiegelt, dass Ihr mit allen Rechten die Inhaberin des Betriebes seid?"
"Ja, ist es. Auch bei den Zünften bin nun ich wieder als Inhaberin und Leiterin des Bellwillwerkes eingetragen."
Er nickte zufrieden: "Wie gut, dass Ihr mich über diese Angelegenheiten noch vor dem Gespräch mit Eurem Herrn Vater aufgeklärt habt, denn dadurch sehe ich die damaligen Vorfälle in einem anderen Licht. Kommt denn Ihr heute mit ihm zurecht? - Nein, verzeiht, diese Frage steht mir nicht zu."
Lucia beantwortete sie dennoch: "Einiges muss sich zwar noch einrenken zwischen meinem Vater und mir, aber er akzeptiert mich als Werksinhaberin und -leiterin, und das ist entscheidend."
"Ja, das ist entscheidend", wiederholte er, als es gerade an die Tür klopfte.
Nach Lucias Aufforderung führte Frau Leitner Meister Rodder herein. Die beiden hochgewachsenen Männer begrüßten sich kühl, und um das Eis zwischen ihnen ein wenig zu tauen, ließ Lucia ein paar verbindliche Worte fallen, worauf sie den Raum verließ.
In der Besprechungsecke ihres Kontors sitzend, bangte Lucia nun um den Ausgang des Gesprächs im Besucherraum, von dem so vieles abhing. An sich standen die Chancen für eine Einigung zwischen den beiden zerstrittenen Männern nicht schlecht, wusste sie, denn im Wesentlichen waren sie sich ähnlich, beide waren aufrichtig und sagten stets frei heraus, was sie dachten, auch wenn sich Meister Rodder oft polterig ausdrückte, Herr von Lasbeck dagegen kultivierter. Hinzu kam, dass beide in ihren Berufen Kapazitäten waren, Meister Rodder als Labormeister und Herr von Lasbeck als Kaufmann, und der eine schätzte das Können des anderen. Außerdem, dachte Lucia nun lächelnd, waren beide Anfang Lenzing fünfzig geworden, waren also Widder, und Leonardo, im gleichen Sternbild geboren, hatte einstmals als Entschuldigung für seine oft zu direkte Ausdrucksweise erklärt, Widder seien eben offene Menschen, sie beherrschten nicht dieses Drumherumgerede.
So dauerte es auch nicht lang, bis Herr Hoyer Lucias Kontor betrat, um ihr zu berichten, Herr von Lasbeck habe sich soeben verabschiedet und lasse ihr ausrichten, er teile ihr am Nachmittag seine Entscheidung mit.
Das Gespräch hatte zum Erfolg geführt. Am Nachmittag tat Herr von Lasbeck Lucia kund, nun, wo sich alles für ihn
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