Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
Reaktion von ihm zu erfahren, fragte er unsicher: "Makel soll ich gesagt haben?"
"Si, damals an Ostern."
"Wieso nur - wie konnte ich nur!", warf er sich selber vor, wobei er unruhig auf- und abging. "So habe ich das doch nie empfunden, dieser Ausdruck muss in einem anderen Zusammenhang gestanden haben. Makel! - Lukas, och du!"
Leonardo erkannte, dass sie den Tränen nahe war, legte rasch die Karte auf den Arbeitstisch, trat zu ihr und umfasste ihre Schultern. Lucia ließ es geschehen und gestand ihm: "Ich komme mir so schmutzig vor", und gleich drauf konnte sie sich ihrer drängenden Tränen nicht mehr erwehren.
"No", flüsterte er und streichelte ihr tröstend über die Schultern und die Oberarme, "no, Cara mia, meine Liebe, du und schmutzig! - Nicht weinen, Liebes. Es tut mir so leid, ich habe mich da nur ungeschickt ausgedrückt. Weißt du, als was die Bellesigni unser angebliches Schicksal betrachten sollten? Willst du das wissen?"
Lucias Weinen ebbte ab, sie nickte, worauf er ihr sagte: "Als Segen, als ein Himmelsgeschenk, mit dem man entsprechend dankbar umzugehen hat. Genau, wie ich mit dir umgehe und immer umgehen werde, weil du für mich ein ebensolches Geschenk bist, du makellose Bellesigna."
Nun tupfte er Lucia mit einem Taschentuch, das er stets mit sich führte, zart die Tränen ab. Dann führte er sie in die Sitzecke und nachdem beide dicht gegenüber Platz genommen hatten, drückte sich Lucia unwillkürlich zurück an die Stuhllehne, schob die Unterbeine und Füße unter der Sitzfläche nach hinten und hielt ihren Blick gesenkt. Ein schon beleidigender Anblick für Leonardo. Dennoch erkundigte er sich mitfühlend, ob sie seine Nähe fürchte. Sie verneinte stumm, worauf er erfahren wollte, was sie denn sonst schrecke.
"Weiß nicht", antwortete sie. "Aber können wir nicht das Thema wechseln?"
Darauf ging Leonardo ein. Er erinnerte sie an das neue Bellesigna-Bambino, den kleinen Philipp Alarich, über den sie sich noch gar nicht unterhalten hätten. Ihm gefalle sein Name, betonte er, der aus dem Gotischen stamme. Während er dann von seinen eigenen Geschwistern mit teils ebenfalls gotischen Namen erzählte, lockerte sich allmählich Lucias Haltung, auch wenn sie Leonardos Nähe noch immer verunsicherte. Mit einem Mal verstummte er, lächelte sie an und hielt ihr auffordernd seine offene rechte Handfläche entgegen, was Lucia neuerlich verängstigte. Leonardo schüttelte kurz den Kopf und bat sie, ihre Hand in seine zu legen. Sie brachte es nicht fertig.
"Liebes, wovor hast du solche Angst", fragte er abermals, "vor unseren Gefühlen zueinander? Die sind doch rein, frei von Begierde. Sicher, sie sind zärtlich, liebevoll und überaus innig, jedenfalls meine, aber sie sind rein."
"Wirklich?"
"Si", versicherte er ihr, "und du kannst dich darauf verlassen, dass mir nichts ferner liegt, als dir auch nur den geringsten Schaden zuzufügen, dafür bedeutest du mir zu viel. Also bitte", er hielt ihr seine Hand näher entgegen, "finde Vertrauen zu uns beiden. - Hm?"
Darauf legte Lucia zaghaft ihre Hand auf seine. Nun war es Leonardo, der den Blick senkte, wenngleich mit einem beseelten Lächeln, und Lucias Hand umschloss er nicht, er ließ sie frei auf seiner Handfläche ruhen. Bald deutete sich in Lucia stilles Glück an, und nachdem sie dann langsam ihre Hand wieder zurückgezogen hatte, äußerte er leise: "Das war wundervoll, so nah waren sich unsere Herzen noch nie. Hast du das auch gefühlt?"
"Si. Grazie, Leonardo, das war wirklich wundervoll. Aber bitte verstehe, mehr kann ich jetzt nicht aufnehmen", sie erhob sich, "verstehst du das?"
"Nur allzu gut, Cara mia."
Er begleitete Lucia aus dem Labor und durch sein Atelier bis ins Treppenhaus. Als sie dann zur Treppe wollte, hielt er sie am Arm zurück, um sie zu bitten: "Von jetzt an darf nie wieder etwas Unausgesprochenes zwischen uns stehen, si?"
"An mir soll es nicht liegen."
"Bene, tu intensa, tu Signa bella - du starke, du schöne Seele", lächelte er erleichtert.
Ebenso erleichtert wie er, wenn auch noch etwas benommen, ging sie darauf hoch zu ihrer Suite.
Am Frühstückstisch begegneten sich Leonardo und Lucia seit ihrer Rückkehr aus Meran zum ersten Mal wieder ungezwungen. Was nicht ausschloss, dass sie nach außen weiterhin Abstand zwischen sich wahrten, schon wegen des noch immer eifersüchtigen Carlo. Dennoch konnte es Leonardo nicht lassen, bei den Tischgesprächen häufiger als sonst das Wort an Lucia zu richten, worauf sie freundlich einging.
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