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Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)

Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roswitha Hedrun
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neuesten Zeichnungen bisweilen wieder die in seiner Geheimschrift verfasste, ihn wohl immerfort beschäftigende Frage: 'Sage mir, ob je etwas anderes erschaffen worden ist.' Oder auch nur die drei ersten Worte: 'Sage mir, ob . .' Wie ein stetig wiederholtes Mantram.
Nicola hatte diesen Satz ebenfalls mehrmals auf Leonardos Aufzeichnungen entdeckt, entziffert und intensiv darüber nachgesonnen. Da ihn vorwiegend Leonardos wissenschaftliche Fähigkeiten interessierten, förderte Leonardo ihn in dieser Hinsicht bei jeder Gelegenheit. Er förderte ohnedies jeden seiner Artisti und Garzoni auf andere Weise, stets seinen Veranlagungen entsprechend.

    Am Nachmittag des gleichen Tages bat Leonardo Lucia in die Besucherecke seines Ateliers.
"Dein Seelenherz erblüht immer kraftvoller", begann er, "bald wird ihm noch höhere Energie entströmen. Deshalb müssen wir deine Malübungen demgemäß erweitern. Dabei wirst du wie bisher mit einer kurzen Selbstversenkung beginnen. Ehe du dann jedoch zum Pinsel greifst, sollst du deine Vorstellungskraft einsetzen."
Da er nicht weiter sprach, fragte Lucia, ob sie damit nicht ihrer Seelenkraft den Weg nach außen versperre, worauf er ihr erläuterte: "Wenn du es richtig angehst, nicht. Du sollst dir auch nichts Konkretes vorstellen, sondern dich ganz locker auf etwas Abstraktes konzentrieren."
"Wie Freude, Reinheit, Segen und dergleichen?"
"Si", bestätigte er, "aber niemals auf eine niedere Gemütsbewegung. Anfangs wird dir dein Gemüt ohnehin Schwierigkeiten bereiten, da es sich, wie bei jedem Menschen, gerne in den Vordergrund drängt. Du musst lernen, dein Gemüt beim Malen zu ignorieren. Bei deinen bisherigen Übungen hast du das am Ende beherrscht, bei den neuen wird es zunächst wieder schwierig, aber eines Tages wird es dir auch bei diesen gelingen."
"Ohje, hoffentlich hast du recht."
Sie erhoben sich, und wie Leonardo Lucia dann am Arm zurück ins Labor führte, redete er ihr zu: "Du bist reif für diese Übung, Cara mia, also wird sie auch von Erfolg gekrönt sein."
Mit Cara mia, meine Liebe, sprach er Lucia seit gestern stets an. Selbstverständlich nur, wenn niemand zugegen war, und sie genoss diese Anrede.
Gleichwohl graute es ihr vor den neuen Malübungen, weshalb sie alle möglichen Ausreden fand, um nicht heute schon damit beginnen zu müssen. Leonardo aber kannte sie, und so dauerte es auch nicht lang, bis er ihre Verbindungstür einen spaltbreit öffnete, seinen ,nudelblonden' Lockenkopf zu Lucia herein streckte und sie aufforderte: "Natürlich fängst du schon heute an damit."
"No, das kann ich nicht."
"Nicht? Oooch", veruzte er sie, "aber versuch es wenigstens. Ich muss jetzt mit Carlo zum Palast, und wenn ich am Abend zurückkomme, schau ich mir das Ergebnis an."
"No, ich will erst morgen . .", widersprach sie, jedoch vergebens, er hatte die Palisandertür bereits geschlossen.
Hast mich reingelegt, beschimpfte Lucia ihn innerlich, musste dann aber lachen, wie geschickt ihm das gelungen war. Deshalb zögerte sie auch nicht mehr, sondern richtete in ihrer Malecke alles für diese neue Übung her. Ohne viel dabei zu überlegen, um nur keine Angst aufkommen zu lassen.
Die Malübungen hatten sich lange ausgedehnt, doch Lucia hatte etwas zustande gebracht. Zwei Kartons waren bemalt, beide überwiegend mit Blau. Bei der ersten Übung hatte sie sich auf Andacht konzentriert, wobei ein domartiges Gebilde entstanden war, in stillem Indigo, durchsetzt mit violett und bei der zweiten Übung auf Dankbarkeit, das wirkte fröhlicher, auch lockerer, und zwischen dem vielen Hellblau war auch gelb und etwas rosa zu sehen. Ob diese Übungen nun gelungen waren oder nicht, konnte nur Leonardo beurteilen, und Lucia war gespannt, ob er erkennen wird, worauf sie sich jeweils konzentriert hatte.
Kurz vor dem Abendbrot kamen Leonardo und Carlo gemeinsam die Stufen hoch ins Labor.
"Benvenuto ihr Zwei", freute sich Lucia, und nachdem die Beiden nett ihren Gruß erwidert hatten, gab Leonardo Carlo seinen Farbenbeutel in die Hand: "Bring ihn ins Malatelier, wir sehen uns dann beim Abendbrot."
Obgleich Leonardo Carlo eindeutig loswerden wollte, blieb Carlo stehen, zögerte und brachte dann heraus: "Lukas, wir gehen nachher zusammen ins Blockhaus, si? Ich muss dir etwas mitteilen."
"Bene, machen wir."
Erst dann verließ er das Labor. Gleich darauf erkundigte sich Leonardo: "Und? Rentiert sich mein Weg zu deiner Staffelei?"
"Prego, aber verhau mich nicht, wenn ich deinen Geschmack nicht getroffen

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