Hexenkunst: Historischer Roman (German Edition)
denken unsere Kollegen noch sonst was. - Also, gute Reise, Lucia bella, und bis bald."
"Bis bald, Leonardo."
Er nahm ihre Hände in seine und führte sie an seine Lippen, allerdings nicht ganz heran. Dann stieg er aus und rief dem Kutscher zu: "Jetzt kannst du deinen Rössern Pfeffer geben!"
"Zu Befehl, Maestro."
Kapitel 8 • Ab Ostern 1492
Ausschnitt: Anbetung der Könige, ganz rechts verm. der junge Leonardo
In Meran war sie wieder Lucia. Obschon sie inzwischen deutliche Lukaseigenheiten angenommen hatte, nicht nur die rauchig dunkle Stimme, sie war auch forscher geworden, ihre Ausdrucksweise war knapper und prägnanter und ihr Blick fester, was ihr den Umgang mit Männern erleichterte. Dennoch war sie Jungfer und, wie ihre Mutter sie gleich nach ihrer Begrüßung liebevoll hatte wissen lassen, ihre zartfühlende petite Lucia.
In Lucias Abwesenheit war Madame de Lousin vom Gästehaus wieder zurück in ihre frühere Suite eins im ersten Stock des Herrschaftshauses gezogen und neben ihr, in Suite zwei, wohnte nun Herr von Lasbeck, allerdings nur die Woche über, die Sonn- und Feiertage verbrachte er in seinem Stadthaus.
Außerdem war Lucias Atelier eingerichtet. Frau von Zeno hatte darin für die Malutensilien zusätzliche Regale befestigen lassen sowie eine weitere Staffelei mit Hocker und einen zweiten Arbeitstisch aufgestellt. Stünden jetzt noch frische Temperafarben in den Regalen, könnte Lucia bereits mit ihren Malübungen beginnen, denn Frau von Zeno hatte auch neue Pinsel, Paletten, Raupapier und, wovon Lucia bislang nur gehört hatte, Pastellstifte in den Vorratsschränken verteilt. Doch Lucia musste sich gedulden, denn noch wurde im Wohnhaus Ostern gefeiert.
Gestern, dem Ostersonntag, hatte Meister Rodder seine Tochter am bunt geschmückten Frühstückstisch mit einem Satz Fettstiften überrascht. Er habe die von ihr erfundene Rezeptur für diese Stifte immer aufbewahrt, hatte er ihr gestanden, sie dann verbessert und nach ihrer Abreise im Hornung schließlich diese Stifte fabriziert. Lucia war gerührt gewesen, hatte sie dann in ihrem Atelier ausprobiert und mit Freuden festgestellt, dass sie weitaus geschmeidiger waren als ihre ursprünglichen.
"Danke, Vater, wenn wir dich im Labor nicht hätten!"
Diese Anerkennung hatte dann auch ihn, diesen tapsigen, ruppigen Südwesttiroler Bären, gerührt.
Bis zum Nachmittag des Ostermontags hatte Madame Rodder dann auf eine Gelegenheit warten müssen, um endlich mit ihrer Tochter für ein Weilchen alleine in ihrer Guten Stube sitzen zu können. Sie bedaure, berichtete sie Lucia, für den Bellwillforst noch keinen naturfreudigen Kaufinteressenten gefunden zu haben, für Jagdzwecke allerdings könne sie ihr gleich fünf Interessenten offerieren.
"Non, Maman", lehnte Lucia strikt ab, "dieser Wald wird nie wieder durch Jagden misshandelt. Eher behalte ich ihn, soviel mich seine Pflege auch kostet und verkaufe stattdessen meine Stadthäuser."
"Immer noch das Sturköpfchen", lächelte ihre Mutter darauf. Was Lucia zwar ärgerte, da sie sich nicht für stur, sondern für konsequent und beharrlich hielt, doch sie hatte es aufgegeben, jemanden diesen Unterschied zu verdeutlichen. Nun kam ihre Mutter auf ihr eigentliches Anliegen zu sprechen: "Lucia, so hoch dein Engagement im Werk auch zu schätzen ist, solltest du darüber aber nicht das Anwesen vernachlässigen."
"Wie meinst du das?"
"Ich spreche von den Hausfrauenpflichten, in die du deutlicher hineinwachsen solltest. Übernimm während deiner hiesigen Besuche vor allem die Schlüsselgewalt aller hiesigen Gebäude und mache dich auch mit jedem Gebäude inwendig vertraut, ebenso wie du das im Werk handhabst."
Diese Notwendigkeit sah Lucia ein: "Oui, Maman, das werde ich noch heute regeln. Wo hängen denn diese vielen Schlüssel?"
"In unserem Verwaltungskontor, das, wie du sicher noch weißt, im ersten Stock neben Madame de Lousins Suite liegt. Noch etwas, Lucia, Madame de Lousin ist zwar eine exzellente Wirtschafterin und Hausdame, auch putzt sie sich in ihrem Alter noch immer schick heraus, doch lass dich davon nicht täuschen, sie ist leider, wie so viele französische Domestiken, reichlich unsauber. Das betrifft nicht nur ihre eigene Person, sondern das gesamte Anwesen. Sieh dich alleine hier im Haus um - die Böden verdreckt, die Möbel verstaubt und im Tiefparterre Berge von Schmutzwäsche. Dabei verfügen wir über ausreichendes Personal, das sie nur anweisen brauchte, diese Arbeiten zu verrichten. Seit ich
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